Warum Freiwilligenarbeit auf Reisen oft die schlechteste Idee ist

Weit weg von Zuhause auf Elefanten reiten, am Strand entspannen und gleichzeitig etwas Gutes tun, etwas in der Welt verändern – für viele junge Leute klingt das wie der Inbegriff einer perfekten Fernreise. Nicht nur NGOs, sondern auch zunehmend Reiseveranstalter springen auf diesen Zug des „Volontourism“ auf und bieten Komplettprogramme an. Einen Monat im Waisenhaus in Uganda aushelfen, eine Woche Holzhütten bauen in Costa Rica, zwei Wochen Englischunterricht halten in Indien… Die Liste an Aktivitäten ist lang, doch die Werbung sieht für die meisten Angebote ähnlich aus: Schwarze Kinder tummeln sich um eine weiße blonde Freiwillige oder hören dieser geduldig beim Unterricht zu, dazwischen ein paar Naturaufnahmen, neue Freunde vor Safari-Kulisse.Die Programme der Veranstalter laufen oft sogar unter Schlagwörtern wie „ethischer Tourismus“ oder Nachhaltigkeit. Doch gut gemeint ist oft sehr weit weg davon, wirklich gut zu sein. Kurzzeit-Freiwilligenarbeit auf Reisen schadet zumeist mehr, als dass sie nützt. In diesem Artikel möchte ich ein paar Argumente liefern und versuchen, dir Auswahlkriterien an die Hand zu legen, falls du doch einmal auf Reisen in einem Freiwilligenprojekt mitarbeiten möchtest.

Inspiriert zu diesem Artikel hat mich übrigens Wibke, die gerade auf der Suche nach Bloggerinnen und Bloggern war, die Volunteering-Erfahrungen mit ihr teilen wollten. Auf ihrem Blog geht bald ein Artikel mit ganz verschiedenen Stimmen online, auf den ich sehr gespannt bin. Schaut also demnächst nochmal bei ihr vorbei!

Das Problem mit Waisenhäusern

Das erste Problem, das sich bei solchen kurzen Freiwilligendiensten aufdrängt, ist besonders bei der Arbeit in Waisenhäusern oder beispielsweise in Schulen und Kindergärten gegeben. Kinder brauchen feste Bezugspersonen, vor allem, wenn sie in ihrem Leben schon viel Traumatisches durchleben mussten. Es ist schön, wenn jemand ein Händchen für Kinder hat und gerne mit Kindern arbeiten möchte, aber ein Au Pair-Aufenthalt oder regelmäßiges, kontinuierliches Engagement in Deutschland ist definitiv eine bessere Idee. Außerdem: Ein Waisenhaus ist kein Menschenzoo, aus dem du nach drei Wochen glücklich und mit vielen Fotos von dir im Kreise kleiner niedlicher Kinder zurückkehrst, sondern Heimat und Schutzort für Kinder. Wie würde es dir vorkommen, wenn in deutsche Waisenhäuser regelmäßig für zwei oder drei Wochen Touristen vorbeischneien würden, um ein bisschen auszuhelfen und sich mit den Kiddies abfotografieren zu lassen?

Waisenhäuser sind zudem in vielen Ländern vom Prinzip her sehr problematisch. Meist sind nur wenige der Kinder vor Ort wirklich Waisen, der Rest hätte eigentlich Eltern, die jedoch kaum in der Lage sind, die Kinder vernünftig zu ernähren und ihnen Zugang zu Bildung zu ermöglichen. Klingt vielleicht gar nicht so falsch, aber solche Einrichtungen zu unterstützen, ist keine gute Idee. Das Leben im Waisenhaus behindert Kinder in ihrer Entwicklung und sollte immer der allerletzte Ausweg sein. Hier noch Unterstützung zu leisten, ist eher kontraproduktiv.

Die Frage der Qualifikation

Den potentiellen Freiwilligen wird in den Programmflyern und Angebotskatalogen von Reiseveranstaltern suggeriert, sie könnten jede erdenkliche Aufgabe erfüllen. Oft sind nicht einmal Bewerbungsgespräche erforderlich. Ohne Spanischkenntnisse in Guatemala eine Schulklasse unterrichten? Als Abiturientin HIV-positive Frauen in Südafrika psychologisch betreuen? Ohne jemals einen Hammer in der Hand gehabt zu haben einen Brunnen für eine Schulklasse in Bangladesch errichten? Alles kein Problem! Ganz ehrlich: Du wirst im Ausland schon genug damit zu tun haben, dass du die Sprache nicht (perfekt) beherrschst, dass du einer dir fremden Kultur begegnest und dass du erst einmal die Strukturen deiner Organisation durchblicken musst – und da willst du dann auch noch etwas tun, für das du nicht ausgebildet bist?

Szenen (m)eines Freiwilligenjahres: Gründe, Auswirkungen und Effekte von Umweltproblemen

Wenn du in einem Projekt mitarbeitest, mit dem du inhaltlich rein gar nichts am Hut hast, wirst du bestenfalls wenig helfen und im schlimmsten Fall wird deine Arbeit absolut kontraproduktiv sein. Die Bloggerin Pippa Biddle erzählt zum Beispiel hier davon, wie sie im Rahmen eines Klassenausflugs in Tansania eine Bibliothek aufbauen sollte. Jeden Tag arbeiteten die Jugendlichen aus den USA sechs Stunden oder mehr und schichteten Ziegel aufeinander. Und jede Nacht rissen tansanische Arbeiter die windschiefen Mauern ab und setzten selbst neue, gerade Mauern auf, ohne den Volunteers etwas zu sagen, um den Schein aufrecht zu erhalten. Bei so einem Bau-Projekt mag der bleibende Schaden relativ gering sein. Doch wie ist es, wenn beispielsweise Jugendliche mit Aufgaben betreut werden, die eigentlich professionelle Pädagogen oder Psychologen übernehmen sollten?!

Wenn du einen Freiwilligendienst machen möchtest, egal ob dieser kurz oder lang ist, überleg dir vorher, was deine Fähigkeiten sind und wie du sie einbringen kannst. Stell dir bei Projekten immer die Frage, ob du auch in Deutschland für diese Aufgabe qualifiziert wärst. Wenn nein, überleg dir etwas anderes – und begreife, dass ein Freiwilligendienst eine Möglichkeit für dich ist, viel zu lernen und zu interkulturellem Austausch beizutragen, und verabschiede dich von der Idee, zu helfen.

Schwarzes Elend, weiße Helfer

Die Menschen im Globalen Süden, also in Afrika, Asien und Lateinamerika sind arm, und ihnen muss geholfen werden – von Menschen aus Europa oder Nordamerika. Dieses Bild haben wir derart internalisiert, dass wir uns über die Darstellung von Menschen in Flyern von Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit, in Hollywood-Filmen oder bei Reiseveranstaltern gar nicht mehr wundern. Dass es aber auch in Deutschland Menschen gibt, die Hilfe benötigen und dass auch in Namibia oder Kambodscha junge Leute Medizin oder Ingenieurswesen studieren, blenden wir aus. Wie so oft möchte ich hier wieder Chimamanda Adichie zitieren: The single story creates stereotypes. Die eine Geschichte, die wir immer wieder hören, schafft Stereotype. Das Schlimme an Stereotypen ist nicht, dass sie nicht wahr wären, sondern dass sie unvollständig sind. Die eine Geschichte, die wir über Menschen aus bestimmten Teilen der Welt hören, raubt ihnen Würde und betont Unterschiede zwischen Kontinenten statt Gemeinsamkeiten.

Wer aus einem Land des Globalen Nordens kommt und unreflektiert als „Helferin“ in den Süden reist, wiederholt diese eine Geschichte vom schwarzen Elend und den weißen Helfern, die wir ohnehin durch Medien, Hilfsorganisationen und Werbung immer wieder hören. Besonders wenn Freiwilligen eingeimpft wird, dass ihre Arbeit hilfreich und sinnvoll wäre, auch wenn sie keinerlei Qualifikation besitzen, wirkt Entwicklungszusammenarbeit simpel und die Probleme vor Ort werden degradiert, so als könnten sie durch Hilfe von außen ganz schnell und einfach gelöst werden. Und wer nicht auf die Art seiner Berichterstattung achtet, wenn er von einem Freiwilligendienst zurückkommt, wiederholt schnell Stereotype in Bild und Text.

Eigentlich wäre das Geld ja sinnvoller…

Verbunden mit dem Punkt der Qualifikation ist die Frage danach, ob es nicht sinnvoller wäre, den Geldbetrag, den man an den Reiseveranstalter zahlt, direkt an die jeweilige Institution zu geben. So könnten beispielsweise lokale Arbeiter angestellt werden, die die anfallenden Aufgaben schneller und effektiver erledigen als die deutschen Freiwilligen. Nicht nur beim Bau von Bibliotheken, auch beispielsweise in sozialen Projekten können lokale Arbeitskräfte viel mehr bewirken. Sie sind nicht nur langfristig angestellt, sondern kennen sich in der jeweiligen Kultur aus und haben keine Probleme mit der Sprachbarriere. Ein positiver Effekt wäre auch die Förderung der Wirtschaft vor Ort und das Schaffen von Arbeitsplätzen.

Szenen (m)eines Freiwilligenjahres: Beim Müllsammeln am Strand

Klar, wenn man diesen Punkt als Argument nimmt, wird jeder Freiwilligendienst, egal ob kurz oder lang, sinnlos. Das möchte ich mit diesem Artikel aber gar nicht sagen. Ich denke, dass möglichst lange, reflektierte, gut vorbereitete Freiwilligendienste sinnvoll sind – jedoch nur zum Teil für die jeweilige NGO oder das entsprechende Projekt. Vielmehr können Freiwilligendienste einen Austausch schaffen zwischen verschiedenen Kulturen und Vorurteile auf beiden Seiten reduzieren. Sie sensibilisieren für Armut und globale Ungleichheiten und lassen im Idealfall Freiwillige zurück, die durch ihre Zeit im Ausland selbstständiger, flexibler und reflektierter geworden sind und in Zukunft noch viel Gutes für die Welt schaffen können.

Willst du reisen – oder willst du etwas Gutes tun?

Ein Freiwilligendienst sollte keine reine Spaßveranstaltung sein, sondern im Idealfall nachhaltig wirken und immer verantwortungsvoll behandelt und bedacht werden. Versuch, deine eigenen Motive zu hinterfragen. Willst du eigentlich nur alle Facetten des Landes sehen? Dann ist eine Reise ohne Volunteering-Bestandteil die bessere Wahl. Willst du deinen Lebenslauf aufpolieren? Dann versuch, dich in deinem Heimatland zu engagieren, dafür gibt es genügend Möglichkeiten. Oder willst du wirklich ein bisschen was bewirken, viel lernen und zu interkulturellem Austausch beitragen? Das ist leider nicht in ein paar Wochen zu haben, dafür benötigt es eine lange Zeit des Aufenthalts vor Ort plus intensive Vor- und Nachbereitung. Und selbst dann musst du dich von dem Gedanken verabschieden, ganze Familien aus dem Elend zu holen.

Wenn du nur wenig Zeit mitbringst und trotz dieses Artikels noch unbedingt Voluntourism betreiben möchtest, such dir ein Projekt beispielsweise im Bereich Umwelt, in dem du mit ein bisschen körperlichem Einsatz helfen kannst und keinen Kontakt zu verletzlichen Gruppen wie Kindern hast. Im Idealfall findest du ein kurzes Projekt oder Workcamp, das in der Zeit deines Aufenthaltes abgeschlossen wird. Vertraue auf seriöse Anbieter oder wende dich direkt an Institutionen und NGOs, anstatt überteuerte Volunteering-Programme über Reiseveranstalter zu buchen. Und: Finger weg von sozialen Projekten, denn dort schaden unausgebildete Freiwillige meist wirklich mehr, als sie nutzen.

Egal, für welche Form von Freiwilligendienst du dich entscheidest, ob kurz oder lang: Bleib reflektiert, verzichte auf zu schnelles Urteilen über Strukturen vor Ort und akzeptiere, dass du da bist, um zu lernen, nicht um zu helfen.

Diesen Artikel möchte ich übrigens zu Marens Aktion „Blogger denken nach“ einsenden, denn im Juni heißt das Thema: „Nachhaltig reisen – nur wie und wohin?“ Vielleicht hast du ja auch Lust, dich mit dem Thema zu beschäftigen und einen Artikel einzusenden?

Und wie immer würde mich natürlich deine Meinung interessieren. Hast du selbst schon mal einen Freiwilligendienst gemacht oder warst als Volontourist unterwegs? Was waren deine Erfahrungen? Gehst du mit mir konform, hast du eine ganz andere Meinung oder kennst du positive Gegenbeispiele?

Weiterführende Infos:

Weltreiseforum: So richtest du mit Freiwilligenarbeit keinen Schaden an
Stern: Erst Waisenhaus, dann Safari
PSMag: The Narcissism of Global Voluntourism
heldenwetter: Wie „wir“ über „die“ schreiben

25 Gedanken zu “Warum Freiwilligenarbeit auf Reisen oft die schlechteste Idee ist”

  1. Das ist ein interessantes Thema, das mich momentan ebenfalls beschäftigt, wenn auch in einer etwas anderen Form. Zur Zeit mache ich ein Freiwilliges Jahr in der Denkmalpflege (in Deutschland) und stehe manchmal in einem inneren Zwiespalt.
    Auf der einen Seite ist es ein Freiwilligendienst, der wie das Wort schon sagt freiwillig ist und meiner Meinung nach auf das Gemeinwohl ausgerichtet sein sollte. Viele der Einsatzstellen sind allerdings nur durch irgendwelche Vertragsklauseln auf das Gemeinwohl ausgerichtet. Dazu kommt, dass ich die privaten Einsatzstellen oft spannender als die öffentlichen finde. Auch die Verträge sind so formuliert, dass das Freiwillige Jahr eher als Orientierungsjahr gesehen wird als als Freiwilligendienst.
    Am Ende profitieren also nur zwei von dem Freiwilligen Jahr: Ich und meine Einsatzstellen, für die ich im Endeffekt eine billige Arbeitskraft bin. Das Gefühl etwas freiwillig und für die Allgemeinheit zu tun habe ich nicht und wenn ich jemandem erkläre, was ich mache, benutze ich eher das Wort Arbeit, als das ich von einem Freiwilligendienst rede.

    1. Freiwilliges Jahr in der Denkmalpflege klingt wirklich spannend! Aber klar, bei verschiedenen Arten der Arbeit hat man auf unterschiedliche Weise das Gefühl, gebraucht zu werden und etwas Sinnvolles zu tun. Aber siehs mal so: Wenn du an deinen Aufgaben wächst, dich dadurch weiterentwickelst und Neues lernst, ist das Gesellschaft ja auch ein Dienst getan sozusagen 🙂

  2. Was für ein toller Artikel, vielen Dank dafür! Den werde ich mir gleich mal als Lesezeichen setzen, er bringt nämlich alles auf den Punkt, was ich mir in den letzten Jahren auch gedacht habe.
    Vor drei Jahren habe ich mein Abitur gemacht, wusste nicht genau, was ich danach machen sollte und habe mich deshalb sehr dafür interessiert, was andere Jugendliche in meinem Alter vorhaben. Tatsächlich sind viele ins Ausland gegangen, zum Teil auch als Freiwillige. Die meisten kamen sehr desillusioniert zurück, eine Bekannte beispielsweise hat in einem Waisenhaus gearbeitet und genau das bestätigt, was du oben geschrieben hast. Letztlich war sie froh, wieder zu Hause zu sein und würde diese Arbeit nicht weiterempfehlen. Die Kinder hatten keine festen Bezugspersonen, sie konnte sich nicht durchsetzen und alles in allem war es ein absolutes Chaos.
    Sehr verwundert haben mich außerdem die Vorstellungen, die viele von ihrer Tätigkeit vor Ort haben. Da gab eine Abiturientin in einem Interview in der Zeitung (SZ) an, sie wolle nach Bolivien reisen, um dort das Image der Schuhputzer aufzupolieren, da dies dort ein sehr niedrig angesehener Job sei. Im Zuge dessen wolle sie mit anderen Freiwilligen auf die Straße gehen und mit den Leuten reden. Ihnen also die Welt erklären. Als weißes Mädchen, das die Landessprache nicht spricht, kulturell dort nicht gefestigt ist und keinerlei Qualifikationen in dieser Richtung besitzt.
    Diese Naivität hat mich geradezu bestürzt und es wundern mich nicht, wenn so jemand am Ende ohne Geld und in seinem Weltbild erschüttert wieder in Deutschland am Flughafen steht.

    Außerdem irritiert haben mich die teils hohen Kosten, die für Freiwilligenarbeit verlangt werden, da ich mich frage, wofür diese denn anfallen. Meiner Meinung nach sollten bei einem Freiwilligendienst zumindest Kost und Logie gestellt werden. Nur dann erscheint mir das Ganze überhaupt seriös. Dass man seine Flüge selbst bezahlt, ist ja selbstverständlich, aber in einem Prospekt, der mir in die Hände fiel, waren von vierstelligen Kosten für zwei Monate die Rede.

    Wahrscheinlich ist es wirklich das Beste, sich vor Ort einzusetzen, wenn man etwas Gutes tun will. Unwahrscheinlich viele soziale Einrichtungen brauchen dringend Anwerber auf ein freiwilliges soziales Jahr und das ist in meinen Augen auch das Sinnvollste. Man arbeitet im eigenen Land und hilft dort, wo man gebraucht und gewollt wird.

    1. Danke, freut mich, dass dir der Artikel gefällt! Ich bin auch oft erschrocken darüber, mit welchen Vorstellungen junge (unausgebildete) Menschen in den Globalen Süden aufbrechen. Ich meine, Idealismus, Kreativität und Initiative sind super, aber leider fehlt oft ein gründliches Nachdenken im Voraus. Deshalb finde ich es so wichtig, dass eben dieses Gerechtigkeitsgefühl, diese Lust darauf, etwas anzupacken und dieser Idealismus, den die meisten jungen Leute mitbringen, durch eine seriöse Organisation in vernünftige Bahnen gelenkt wird. Reiseveranstalter, die ihr Programm nur daran ausrichten, dass die Kunden zufrieden sind und Spaß haben, können das eben nicht wirklich erbringen…

      Diese Kosten haben mich auch immer schon schockiert. Man bezahlt, um irgendwo zu arbeiten?!

    1. Ich auch!

      Zu dem Thema an sich kann ich leider nicht so viel beitragen, trotzdem habe ich deinen Beitrag total gerne gelesen. Du bringst das so verständlich auf den Punkt, und wie Fee schon schrieb, ohne mit dem Finger auf jemanden zu zeigen. Sehr toll 🙂

    2. Vielen lieben Dank euch! Ich habe vor dem Veröffentlichen immer Angst, in solchen Artikeln zu sehr den Zeigefinger zu erheben, aber ich freu mich sehr, dass es bei euch nicht so ankommt 🙂 Oft sind Themen eben auch sehr differenziert zu betrachten, differenzierter als ich das in Blogartikeln könnte. Aber ich geb mein Bestes!

  3. Super Artikel. Ich finde es toll, wie reflektiert du an die Sache herangegangen bist und auch andere Aspekte mit eingebracht hast.
    Ich war keine Freiwillige, aber mein Freund war ein Jahr in Uganda und hab da eher indirekt was von mitbekommen bzw, war auch mal ein Monat dort und konnte auch an Seminaren teilnehmen. Die Organisation verlief durch die GIZ und bei der hatte ich einen guten Eindruck, da ständig ein Ansprechparner da war und in verschiedenen Seminaren (auch im Vorfeld) auf Thematiken wie Rassismus und Privilegien eingegangen wurden. Sowas hatten viele Freiwillige von privaten Organisationen gar nicht. Ich denke, dass dieses Freiwilligenjahr eher weniger den Menschen vor Ort hilft, denn die machen meistens Jobs, die Leute vor Ort viel besser können (mein Freund war beispielsweise an einer Art Berufsschule und hat IT unterrichtet, er hatte das zwar gelernt, aber ein ausgebildeter Lehrer wäre einfach effektiver gewesen).
    Für mich ist das ganze auch kein wirklicher Austausch, denn Menschen aus den Ländern des globalen Südens haben es so schwer hier her zu kommen um z.B. was von der Europäischen Kultur kennen zu lernen. Speziell aus Uganda haben sowohl die Betreuerin als auch später Freiwillige immer wieder versucht Uganderinnen ein Aufenthalt in Deutschland zu ermöglichen (z.T. auch schon mit Krankeversicherung und pipapo) und die haben kein Visa bekommen, weil die Möglichkeit besteht, dass die Menschen nicht mehr zurück gehen. Was zur Hölle? Nur eine Organisation hat so ein Austausch mut Menschen aus Südamerika ermöglicht "Zugvögel e.V.", das finde ich echt gut und erst, wenn so ein Austausch flächendeckend geschieht, kann man meiner Meinung nach von kulturellen Austausch sprechen.

    1. Danke dir! Ich war auch mit der GIZ im Ausland und den Weg ins Ausland mit der GIZ nur weiterempfehlen – weltwärts bieten sie allerdings inzwischen nicht mehr als Programm an, nur noch Praktika und Entwicklungszusammenarbeit. Reflektierter Umgang mit Entwicklungszusammenarbeit & Co. wurde dort wirklich groß geschrieben und mein großes Interesse an dieser Thematik verdanke ich definitiv der GIZ 🙂

      Beim Thema Austausch hast du definitiv Recht! Es sollte auf jeden Fall mehr Initiativen geben wie die der Zugvögel e.V. Und es wäre wichtig, dass die deutsche Bürokratie Freiwilligen aus dem Süden weniger Steine in den Weg legt…

  4. Ich schließe mich meinen Vorrednern an – ein toller Denkanstoß. Ich selbst habe so etwas zwar noch nicht in Erwägung gezogen und finde man kann ehrenamtlich im eigenen Wohnort auch schon viel bewirken. Aber denke auch, dass man hier wirklich, wenn überhaupt, längerfristig einen Auslandsaufenthalt planen sollte. Ähnlich wie LaPaysante Verde habe ich bei einer guten Freundin mitbekommen, wie begeistert sie nach 5 Monaten Uganda mit der GIZ von der Zeit war. Sie hat immer noch ein "Patenkind" aus dieser Zeit, das sie unterstützt indem sie ihm gezielt die Ausbilung finanziert (Geld für die Highscool pro Schuljahr überweisen, Schulunfiorm gekauft etc) und auch nach ihrem Aufenthalt wieder besucht hat. Sehr bewundernswert wieviel Geld sie dafür in die Hand nimmt. Liebe Grüße *thea

    1. Danke dir! Die Geschichte von deiner Freundin ist natürlich sozusagen der Idealfall, wie so ein Freiwilligendienst laufen kann 🙂 Schön, wenn da hinterher noch so viel Kontakt besteht.

  5. Sehr schöner Artikel!
    Ich selbst habe mit so freiwilligem Helfen im Ausland bisher kaum Berührungspunkte gehabt, und hätte jetzt spontan gesagt "Ist doch super, wenn jemand helfen will!". Aber deine Punkte sind sehr einleuchtend und es stimmt, dass man sich vorher viel mehr Gedanken machen muss und dass es auf viel mehr ankommt als "nur helfen".

    Liebe Grüße ♥

    1. Danke dir! Ja, ich glaube, es geht vielen so – und das ist ja auch nichts Schlimmes, es ist toll, wenn Leute Lust haben, etwas Gutes und Sinnvolles zu tun! Hauptsache, man geht nicht allzu blauäugig an die Sache heran und informiert sich vorher etwas.

  6. Hallo Ariane,

    Ich stimme in vielen Punkten mit dir überein: dass man Freiwilligenarbeit im Ausland vor allem als Lernerfahrung sehen sollte (ich würde noch ergänzen: als Auftakt für dauerhaftes Engagement nach der Rückkehr), dass man von Waisenhaus-Projekten die Finger lassen sollte, dass man sich gut überlegen sollte, mit welcher Organisation man welche Aktivität man machen sollte, dass man sich so lange wie möglich Zeit nehmen sollte – das und einiges Anderes kann ich so auch unterschreiben.

    Einige Aspekte beurteilst du aus meiner Erfahrung aber zu pauschal und schüttest manchmal das Kind mit dem Bade aus. Ich beschäftige mich schon sehr lange mit dem Thema und bin Gründe des Online-Portals wegweiser-freiwilligenarbeit.com. So gibt es z. B. viele Projekte mit Kindern, in denen auch Freiwillige ohne besondere Qualifikation sinnvolle Arbeit leisten können, gerade wenn das Engagement als Lernerfahrung betrachtet wird und man bereit ist von den einheimischen Mitarbeitern zu lernen. In Kindergärten, Schulen und ähnlichen Einrichtungen haben die Kinder sehr wohl langfristige Bezugspersonen in Form von Eltern, einheimischen Lehrern, etc. und können damit umgehen, wenn es wechselnde westliche Freiwillige gibt. Es ist schon häufig beobachtet worden, dass die Anwesenheitsrate in Schulen nach oben geht, wenn westliche Freiwillige da sind. Die Personal-Situation in vielen Kindergärten in Entwicklungsländern ist katastrophal, es gibt keinen einheimischen ehrenamtlichen Helfer und da können Volunteers wirklich helfen, die Kinder individuell zu fördern. Die Probleme von Waisenhaus-Projekten gibt es dort so nicht.

    Und auch kurze Freiwilligen-Projekte können sehr nützlich sein und allen Seiten etwas bringen. Ich habe schon häufig beobachtet wie auch Freiwilligen-Einsätze von wenigen Wochen zu langfristigen Einstellungsänderungen führen können. Es gibt eine Menge legitime Gründe, warum man nicht ein halbes oder ganzes Jahr in einen langen Freiwilligendienst investieren kann oder will. Aber deswegen sind auch kürzere Einsätze nicht unbedingt schlecht.

    Letztendlich kommt es darauf an, was das Aufnahme-Projekt für richtig und wichtig erachtet. Da gibt es durchaus sehr unterschiedliche Auffassungen und dabei schließe ich ausdrücklich Pseudo-Waisenhäuser aus, die für die Besitzer nur eine Geldquelle sind. Eine amerikanische Untersuchung hat gezeigt, dass 94,2% der befragten NGOs meinen, dass es sich lohnt, westliche Freiwillige aufzunehmen. http://www.wegweiser-freiwilligenarbeit.com/freiwilligenarbeit-kritik/trotz-kritik-ngos-wollen-freiwillige/

    Ich denke, das man der Sache am meisten hilft, wenn man die Dinge differenziert betrachtet.

    Herzliche Grüße

    Frank

    1. Danke für diesen langen und reflektierten Kommentar, schön, dass hier sozusagen jemand vom Fach mitliest – ich kann ja nur von meinen eigenen Erfahrungen und aus meiner eigenen Meinung heraus sprechen.

      Tut mir leid, wenn ich in dem Artikel zu sehr pauschalisiert habe. Es war definitiv nicht meine Absicht, alle Projekte über einen Kamm zu scheren, ich denke, es gibt in jedem Bereich positive und negative Beispiele! Vor allem in Kindergärten oder auch in Schulen sind die Strukturen in vielen Ländern extrem schlecht, es herrscht Arbeitskräftemangel und die Lehrer sind wenig motiviert – wenn es keine Möglichkeit gibt, Einheimische anzustellen und durch die Volunteer-Plätze keine Arbeitskräfte für Einheimische wegfallen, die Volunteers also wirklich nur sozusagen als "Extra" eingestellt sind, warum nicht?! Allerdings denke ich auch hier, dass ein längerer Aufenthalt sinnvoll ist, denn zum einen reichen wenige Wochen einfach nicht aus, um sich in Sprache, Kultur und Strukturen einzufinden, und zum anderen ist die Arbeit mit Kindern nirgendwo einfach, beide Seiten müssen sich erst einmal ein bisschen aneinander gewöhnen.

      Kürzere Einsätze müssen nicht generell schlecht sein, aber ich würde behaupten, dass sie sowohl vom Effekt als auch von der persönlichen Entwicklung der Freiwilligen her weniger weitreichend sind als ein längerer Aufenthalt. Und leider ist es so, dass in kürzeren Projekten (vor allem, wenn die Vermittlung nur von Reiseveranstaltern organisiert wird) kaum eine Auswahl der Freiwilligen oder ein Bewerbungsverfahren stattfindet, es kaum reflektierten Umgang mit Entwicklungszusammenarbeit gibt und die Freiwilligen insgesamt schlecht betreut werden – oder gar im Gedanken bestätigt, sie wären die absoluten Helfer, auf die das jeweilige Land gewartet hat. Solche Betreuung, Vor- und Nachbereitung und kritische Auseinandersetzung gibt es in längeren Projekten meistens, und ich finde das wirklich wichtig und richtig.

      Danke für den Artikeltipp! Ich habe überall gesucht, denn eigentlich wollte ich in meinen Beitrag unbedingt noch Stimmen aus den jeweiligen Projekten bzw. aus dem Süden einarbeiten – ich fands total schade, hier nur die Perspektive aus dem Norden wiederspiegeln zu können. Aber ich hab nichts gefunden. Das hilft mir sehr weiter, danke!

      Lieben Gruß,
      Ariane

  7. Ich hatte Ende März ein Interview mit einer Sprachschule aus Peru, die mittlerweile auch Freiwilligenprogramme anbietet. Es wird versucht für jeden eine sinnvolle Tätigkeit zu finden, entweder können Medizinstudenten ihr Pflichtpraktika in einem dortigen Krankenhaus absolvieren oder es kann Englisch Unterricht gegeben werden – nicht nur für Kinder, sondern für alle – bis zum Rentner. Da kann man in 2 Wochen nicht viel Unheil anrichten. Generell ist aber ein Trend zu erkennen: Die Leute wollen heute nicht mehr 6 Monate im Ausland bleiben, max. 6-8 Wochen. Früher reichte anscheinend noch ein Uniabschluss, um einen Job zu bekommen, heute muss wohl noch soziales Engagement abgeliefert werden – inwiefern das nur geheuchelt oder doch echt ist, lass ich mal außen vor. Aber es ist deutlich zu erkennen, dass Unternehmen das von ihren Bewerbern fordern (und die wenigstens das wahrscheinlich bieten können) und Unternehmen, wie Sprachschulen, Touristika und NGO´s sich darauf einstellen und ihr Angebot erweitern. Die Nachfrage bestimmt das Angebot. Hier muss man sich nur fragen inwiefern künstlich das Befürfnis geschaffen wird, mal locker mehrere 1000 Euro zu bezahlen, um zu helfen. Ob jetzt Geld spenden die bessere Option ist, sei mal dahingestellt. Man weiß nie, ob es so eingesetzt wird, wie versprochen. Ein guter Freund von mir half vor 2 Jahren bei einem IT-Projekt in Kamerun mit. Ziel war eine IT basierte Lagerverwaltung in Krankenhäusern einzuführen. Das Projekt scheiterte an vielen Dingen. Aber was er oft hörte, war, dass die Leute dort vor Ort selbst schon resigniert sind und keinen eigenen Antrieb mehr haben. Bei gespendeten medizinischen Geräten fehlen die Bedienungsanleitungen, also werden sie nicht genommen. Da kümmert sich keiner drum mal die Unterlagen zusammen zu suchen oder schlicht weg zu googeln. Was meinte einer noch zu ihm, aber zu einer anderen Sache: "Da müssten mal wieder die Weißen kommen und ein Projekt machen, von alleine passiert hier nichts." Irgendwie schon traurig oder? Es kann auch nicht gut sein so abhängig von Hilfsorganisationen und deren Projekten zu sein.

    LG Myriam

    1. Danke für den Kommentar und das Teilen deiner Erfahrungen! Diesen Trend finde ich persönlich irgendwie bedenklich – Engagement im Ausland sollte nicht zur Pflicht werden, da fände ich es schöner, wenn gefordert würde, dass sich Leute in ihrem eigenen Heimatland engagieren… Andererseits schön, wenn Leute etwas nach ihren jeweiligen Qualifikationen finden und so eingesetzt werden. Bei Entwicklungszusammenarbeit in Form von Geld- und Sachspenden läuft auch vieles schief, leider oft deshalb, weil zwar Entwicklungszusammenarbeit drauf steht, in Wirklichkeit jedoch nur Wirtschaftlichkeitsgedanken dahinter stecken. So werden Geräte geliefert, anstatt dass Wissen weitergegeben wird und Leute vor Ort ausgebildet werden. Geht ein Gerät kaputt, muss in Deutschland angerufen werden und es müssen teure Ersatzteile aus dem Ausland sowie deutsche Fachkräfte zum Einbau bezahlt werden – was natürlich die Kassen der deutschen Unternehmen bereichert. Man schafft eben lieber Abhängigkeiten, die einem selbst nützen, als sinnvolle und nachhaltige Strukturen, die einem selbst keine Vorteile bringen…

  8. Hallo Ariane,
    ein sehr interessanter Artikel, der mich auch noch beschäftigen wird, da ich selbst für ein Jahr nach dem Abi ins Ausland gehen werde. In vielen Punkten hast du sicher recht, aber was ich nicht ganz verstehe, ist die Sache mit den Waisenhäusern: Wieso ist es keine gute Idee, Einrichtungen zu unterstützen, die sich verwahrlosten Kindern annehmen, auch wenn diese vielleicht noch Eltern haben? Diese Eltern sind dann ja vermutlich nicht in der Lage für ihre Kinder zu sorgen und wenn sowohl die Kinder freiwillig in diese EInruchtungen gehen, als auch dass das von den Eltern abgesegnet ist, sehe ich da ehrlich gesagt deine Kontra-Punkte nicht bzw. verstehe sie nicht.
    Über eine Bekannte habe ich ein bisschen etwas aus so einem Haus mitbekommen. Sie war dort für knapp sieben Monate freiwillige Helferin im "Village of Joy" in Johannesburg und hat dort sowohl im Unterricht geholfen, als auch organisatorische Dinge erledigt wie Wäsche waschen etc. Das Haus wird durch Spenden finanziert und die Kinder erhalten sowohl kostenlosen Schulunterricht, als auch Vorsorgeuntersuchungen von Ärzten (https://charlotteatvillageofjoy.wordpress.com/eine-seite/). Ich finde ehrlich gesagt nicht, dass das so klingt, als sei das nicht unterstützenswert…

    Liebe Grüße,
    Malika

  9. Hallo alle miteinander,
    toller Bericht! Mich interessiert dieses Thema auch und aus diesem Grund plane ich einen Trip als Freiwilligenarbeiter. Ich habe mich zu diesem Thema ausreichend informiert und bin auf ein verlockendes Angebot gestoßen: https://www.stepin.de/freiwilligenarbeit/ Ich muss aber noch überlegen, ob ich es bald starten kann. 🙂
    Liebe Grüße
    Lisa

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