Konsum als Erlebnis? Zur Kurzlebigkeit der Modewelt

Fair, nachhaltig, ökologisch… Dass es nicht einfach ist, diese Punkte im Alltag zu berücksichtigen, weiß wohl jeder. Schließlich hat jeder Mensch begrenzte Ressourcen und schon allein die Beschäftigung damit, was denn nun ethisch vertretbar ist und was nicht, sprengt meist den Rahmen. Besser die Bio-Äpfel aus Neuseeland oder die konventionellen aus der anderen Ecke Deutschlands? Das eigene Geld in eine teure Fair Trade-Jacke investieren oder lieber die günstige vom Modeschweden kaufen, um nächste Woche im Bioladen einkaufen zu können? Und hat das Gute, was ich tue, überhaupt einen Effekt auf die Welt?

Schwierig ja, aber eben auch wichtig. Ich denke, in kaum einer Industrie sind die menschenverachtenden Herstellungsbedingungen inzwischen so offengelegt und werden so viel diskutiert wie in der Modebranche. Näherinnen, die in so genannten „Sweat Shops“ für einen Hungerlohn Endlosschichten schieben und zwischendurch nicht einmal etwas trinken dürfen, Färber, die bis zu den Knien völlig ungeschützt in giftiger Farbe stehen – solche Bilder kennen wir und können längst nicht mehr behaupten, wir wüssten nicht, wie Preise von 4,90 für ein Top bei H&M zustande kommen. Die Tragödie des Einsturzes von Rana Plaza und die erschreckenden Fotos davon gingen medial um die Welt und vor Kurzem schickte eine norwegische Zeitung in einer Reality-Show drei Modeblogger nach Kambodscha, um diesen die Lebens- und Arbeitsbedigungen dort vor Augen zu führen, ständig hören wir neue Nachrichten, sind beinahe schon immun gegen die Schreckensbilder.

In der Welt der Mode-Unternehmen hat sich wenig getan. Es wurden Entschädigungen gezahlt, von Primark-Anhängern wird gern erwähnt, dass das irische Discount-Unternehmen das erste war, das den Opfern und Angehörigen von Rana Plaza Geld zukommen ließ. Es wurden grüne Kampagnen eingeführt, H&M nimmt nun alte Kleidung zurück und die meisten großen Hersteller haben eine „Bio Cotton“-Linie. Aber all das sind Marketing-Maßnahmen, die das Problem grün anmalen, anstatt eine Lösung zu finden. Denn große Wirtschaftsunternehmen könnten sich das Umdenken hin zu nachhaltiger Produktion zwar leisten, aber es liegt nicht in ihrer Natur. Darauf, dass Kleidungshersteller von selbst auf die Idee kommen, faire Arbeitsbedingungen einzuführen, können wir meiner Meinung nach lange warten. Denn es klappt ja momentan auch so, die Herstellungsbedingungen drücken die Preise und möglichst günstige Preise sind das, was die Käuferinnen und Käufer am meisten wollen – dafür braucht man nur auf den riesigen Erfolg von Primark zu schauen.

Faire, ökologische und nachhaltige Alternativen gibt es inzwischen en masse und die meisten haben das ursprüngliche Image zwischen Jutebeutel und Hanfpullover abgelegt. Das ist klasse, vor allem, wenn wirklich tolle Projekte daraus entstehen und Länder sich komplett aus der Abhängigkeit großer Modeketten befreien können – wie Peru, wo inzwischen eigentlich zumindest für den internationalen Markt nur noch qualitativ hochwertige Mode hergestellt wird. Besonders toll finde ich auch Konzepte, bei denen aus Altem etwas Neues geschaffen wird, Taschen aus LKW-Planen oder Schuhsolen aus Autoreifen, um nur zwei Ideen zu nennen. Und ich finds großartig, wenn Unternehmen in Deutschland und dem Rest Europas herstellen, anstatt in den globalen Süden auszulagern. Fair Trade- und Öko-Mode ist toll, ein Kauf setzt ein Zeichen und bewirkt irgendwo auf der Welt eine kleine gute Tat. Aber, um ehrlich zu sein, der größte Effekt, den ein Kauf bei Armed Angels oder Zündstoff hat, ist ein Boost unseres guten Gewissens.

„Wenn jeder Bio und Fair Trade kaufen würde, müssten auch die großen Firmen einlenken!“ – So etwas lese ich oft und muss manchmal ein bisschen die Stirn runzeln. Das stimmt wohl, aber es ist eine sehr kurz gegriffene Sichtweise. Zunächst einmal ist es ziemlich unrealistisch, dass sich am bestehenden System von alleine etwas verändert und tatsächlich jede und jeder anfängt, nur noch Kleidung mit Ökosiegel zu kaufen. Politische Regelungen und Maßnahmen sind nötig, um die Hersteller in ihre Schranken zu weisen, andernfalls wird nichts passieren. Auch, wenn inzwischen immer mehr Menschen über das nachdenken, was sie kaufen, bleiben ethische Käufe eine Randerscheinung und gehen zwischen den Kundenmassen von Primark und ZARA unter.

Und da gibt es noch einen anderen Punkt: Selbst, wenn wir all das, was wir heute kaufen, in Bio- oder Fair Trade-Ausgabe erstehen, ist unser Konsumverhalten für die Ressourcen, die uns zur Verfügung stehen, nicht tragbar. (Fast) alles, was hergestellt wird, hat momentan einen linearen Lebensweg – Ressourcen werden entnommen, verarbeitet, benutzt und anschließend als Abfall abgeladen, ohne dass neue Ressourcen bereitgestellt werden. Einen Kreislauf haben wir bisher nur bei sehr wenigen Dingen geschaffen. Das meiste, das unter dem Stichwort „Recycling“ läuft, ist eigentlich „Downcycling“, also nur mit großem Wertverlust weiterverwendbar.

Versteht mich nicht falsch, ich finde Ansätze von Fair Trade-Unternehmen klasse. Aber ich denke, dass das Problem der Modeindustrie nicht nur in den abartigen Produktionsbedingungen und dem katastrophalen Schaden für die Umwelt liegt, sondern einfach in der Masse der Dinge, die tagtäglich hergestellt, gekauft und weggeworfen werden.

Mode ist etwas Wunderbares, eine Möglichkeit für jedermann/-frau, sich selbst auszudrücken, in Form von Haute Couture sogar eine Art Kunst. Eine Möglichkeit für jede und jeden, in Kombinationen und Stilmixen selbst kreativ zu werden und das, was man an sich gerne mag, hervorzuheben. Es ist auch schön und wohl auch normal, dass es Moden gibt, die sich teils auch wiederholen, dass wir Dinge von vor zehn oder zwanzig Jahren heute aber auch vielleicht nicht mehr anziehen möchten. Und dass wir mit zwanzig andere Klamotten anhaben als mit vierzig oder sechzig und vielleicht auch mal ein wenig experimentieren müssen, um unseren Stil zu finden, ist ebenfalls verständlich.

Aber die Mode heute ist so unglaublich schnelllebig geworden. Früher gab es zwei Saisons, Frühling/Sommer und Herbst/Winter. Heute bieten viele Läden beinahe jede Woche eine neue Kollektion an, um möglichst viele Dinge an den Mann oder die Frau zu bringen. Selbst bei Dingen wie Unterwäsche, die man nun wirklich lange und unabhängig von Trends tragen kann, gibt es neue Kollektionen zu jedem Feiertag und jedem (un)möglichen Anlass. Die günstigen Preise bringen oft ohnehin mit sich, dass Teile nach dem fünften Tragen auseinanderfallen, und wer sich schnell etwas Neues kaufen möchte, braucht schließlich Abwechslung. Ich gehe echt relativ selten in Kleidungsgeschäfte und bin dann jedes Mal geschockt darüber, dass alles anders aussieht als beim letzten Mal. Kein Wunder, wenn Modeketten sogar schon Sprüche wie „Dress for the moment“ als Slogan haben…

Es ist klasse, den fairen Handel und Öko-Mode zu unterstützen, aber bei solchen Käufen sollten wir uns, genauso wie beim Einkauf in konventionellen Läden, jedes Mal gut überlegen, ob wir das Teil wirklich brauchen. Kann ich das Teil gut kombinieren, finde ich Gelegenheiten, es zu tragen? Habe ich nicht vielleicht doch noch etwas Ähnliches im Schrank? Kann ich etwas Ähnliches vielleicht Second Hand, auf dem Flohmarkt oder im Kleidertausch finden? Gefällt es mir in einem halben Jahr immer noch? Ist es anständig verarbeitet oder fällt es bald schon auseinander? Kenne ich im Zweifelsfall vielleicht jemanden, der oder dem ich es schenken könnte, wenn es mir doch nicht mehr gefällt? Mode darf und soll Spaß machen, aber in erster Linie ist Kleidung eben doch dazu da, ein Bedürfnis zu decken. Primär sollte es darum gehen, was wir brauchen – und das ist eigentlich gar nicht so viel. Und wenn das zehnte Paar Turnschuhe, die fünfte Jeans und das dritte blaue Kleid eben doch nicht in unsere Kleiderschränke wandert, sondern im Laden bleibt, dann ist auch mal der eine oder andere „Sinnloskauf“ nicht mehr so schwerwiegend…

Dieser Beitrag entstand in der Reihe „Blogger denken nach“ zum März-Thema „Von Adidas bis Zalando – bei wem kaufe ich, bei wem nicht?“ Schau doch mal beim zugehörigen Blogpost vorbei. Hast du auch Lust bekommen, zu dem Thema zu schreiben? Dann verlinke deinen Artikel dort!

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6 Gedanken zu “Konsum als Erlebnis? Zur Kurzlebigkeit der Modewelt”

  1. Kann ich dem überhaupt noch etwas hinzufügen? Ich denke nicht, denn ich stimme dir in allen Punkten zu. Primark, Kik und Co. meide ich generell. Die Sachen dort sind doch die reinsten Wegwerfprodukte. Einmal tragen, ab in den Müll und das nächste Teil kaufen. Macht ja nichts. War ja billig.
    Man muss allerdings nur mal kurz an den Sachen riechen und schon steigt einem der ekelhaft beißende Geruch von Chemie in die Nase. Also wenn das nicht giftig ist, was dann?
    Klar, auch ich kaufe bei Ketten, wie H&M. Allerdings achte ich schon genau auf Qualität und zahle dafür dann auch gerne mehr. 40€ für einen Pullover finde ich beispielsweise auch angemessen, wenn man den Aufwand bei der Herstellung bedenkt. Dafür kaufe ich dann eben nicht so viel und achte darauf, dass die Sachen zeitlos sind, sodass man sie immer tragen und gut kombinieren kann. Man muss doch nicht ständig shoppen gehen.
    Fair-Trade finde ich gut, aber gerade bei mir am Dorf ist das noch nicht so verfügbar. Wir haben eh nicht so viele Läden vor Ort.

  2. Ein wunderbarer Beitrag. Ich kann dir nur in allen Punkten zustimmen. Nur weils Bio und/oder fair produziert wurde sollte man sich nicht dazu verleiten lassen, wieder Unmengen davon einzukaufen.

    Ich glaube ein großes Problem bei uns besteht grundsätzlich in der unglaublichen Masse an Konsumartikeln. Würden wir alle nur einigermaßen verantwortungsbewusst konsumieren, würds viele Probleme wahrscheinlich gar nicht geben.

    Aber diese "Billig ist gut"-Mentalität wieder aus den Köpfen der Menschen zu bekommen, und das flächendeckend und nicht als alternative Randerscheinung, ist schwierig.

    Liebe Grüße, Daniela

  3. Das ist eins ehr schöner Beitrag!
    Mir persönlich ist das Shoppen bei Pimkie, H&M & co oft schon zuwider. Vielleicht färbt mein Klientel ab (ich arbeite mit autistischen Jugendlichen) aber ich bin absolut reizüberflutet dort. Es ist, wie du sagt: Jedes Mal etwas neues…
    Ich glaube, dass ich langsam meinen Stil gefunden habe. Da suche ich nun nach Kleidung, meistens auf Kleiderkreisel, sonst möglichst in Geschäften, wo die Sachen zumindest hochwertig gearbeitet wurden und so einige Jahre halten sollten.
    Ich hoffe wirklich, dass sich das Konsumverhalten in Deutschland und der Welt ändert, auch wenn das wohl noch einige Zeit gehen wird (übrigens nicht nur in der Modeindustrie, sondern eben auch ganz besonders bei Lebensmitteln).

    Liebe Grüße,
    Daniela

  4. Danke für diesen wohldurchdachten und langen und wahren Artikel.
    Kann ich da überhaupt noch etwas hinzufügen, außer dir in allen Punkten zuzustimmen?
    Ich versuche schon seit einigen Monaten, keine Kleidung mehr bei großen, internationalen Ketten mit fragwürdigen Produktionsbedingungen zu kaufen und halte halbwegs gut durch. Und ich überlege schon lange, einmal etwas dazu auf meinem Blog zu machen. Aber ich bin da extrem zwiegespalten. Denn: Auch wenn ich mich mit Vintage-Fairtrade-Öko-2nd-Hand-Klamotten vor die Kamera werfe, bewerbe ich in gewissem Sinne erhöhten Konsum. Nach der Art "Schau was ich anhabe, du willst das doch auch!". Oder rege ich trotzdem zu bewussterem Konsum an? Ich weiß es nicht.
    Keine einfache Sache, der nachhaltige Konsum. Finde ich.
    Viele Grüße
    Caro

  5. Hey Ariane,
    ein wirklich toller, gut recherchierter und überlegter Post. Und dazu noch sehr wortgewandt, Hut ab! Den "Dress for the moment" Slogan finde ich auch einen echten Schocker, das denke ich jedes Mal, wenn ich ihn lese. Dress for the moment and then dump it in the trash? Dress for the moment, weil der Schrott den wir produzieren eh nicht länger hält als einen Wimpernschlag? Krass. Da ist Primark wirklich nicht der einzige Verbrecher.
    Ich denke gerade darüber nach, auch wieder ein Konsumstopprojekt zu starten – ohne feste "Regeln" erwische ich mich dieses Jahr irgendwie doch, wie ich wieder recht viel kaufe. Zwar weniger Fehlkäufe als früher, von daher nichts das nachher unberührt im Schrank liegt, aber schon auch Dinge, die ich nicht wirklich brauche. Danke, dass du mich zum Nachdenken angeregt hast!
    Liebe Grüße
    Sabine

  6. Schwieriges Thema finde ich. Denn obwohl ich mir nun wirklich nicht viele Klamotten kaufe, bin ich als Alleinerziehende doch oft darauf angewiesen, genau die Läden zu unterstützen, die eben nicht unbedingt moralisch korrekt produzieren lassen. Ok, KIK, Primark & Co. meide ich, aber H&M, C&A oder ähnliche Preisklassen dürfen es dann schon sein.
    Bei Schuhen hingegen achte ich auf höhere Qualität, allein schon deswegen, weil es sich unmittelbar auf die Trageeigenschaften auswirkt. Aber ob ich nun einen 20-Euro-Discounter-Schuh oder einen 150-Euro-Markenschuh kaufe, dürfte bzgl. der Arbeitsbedingungen in den "Drittländern" kaum eine Rolle spielen.
    Handwerklich gefertigte Klamotten, Taschen und/oder Schuhe, die auch noch unter zufrieden stellenden Arbeitsbedingungen hergestellt werden, wären entweder so einfach, dass sie der breiten Masse nicht gefielen oder aber so teuer, dass sie wiederum nur für eine kleine Klientel erschwinglich wäre, nämlich die, die jetzt schon maßgefertigte Klamotten trägt. Tja, und nun?
    Ich setze auf Klassiker in Schnitt und Farbe, dann kann man das Zeug länger tragen. Das Kind setzt auf Wachstum und braucht deswegen ständig was neues. Und damit mein Geldbeutel da eben mithalten kann, kauft man dann doch wieder bei H&M und C&A… die Katze in den Schwanz gebissen ^^
    Liebe Grüße
    Salvia von Liebstöckelschuh

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