Gastbeitrag: Warum wir reisen

Als Charlotte sich bei mir mit der Idee für einen Gastpost meldete, war ich ganz aus dem Häuschen. Denn ich hatte schon öfter überlegt, einen ähnlichen Post zu schreiben, die Idee aber immer wieder verworfen – und nun hat sie einen fantastischen Post mit einigen Hypothesen, warum wir reisen. Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen, und ich würde mich sehr über Kommentare freuen!

Als Ariane Ihren Gastautoren-Aufruf startete, war ich sofort dabei. Dann habe ich überlegt, welches Thema gut zu ihrem Blog passen könnte. Da Reisen immer wieder bei heldenwetter auftaucht  und mir selbst das auch sehr am Herzen liegt, dachte ich, dass das vielleicht gut passen könnte. Auf meinem Blog Charlottenmarotten berichte ich zwischendurch von meinen Reisen. Aber ich wollte nicht nur einen Post mit Naturfotos und Städtetrips vollpacken, sondern ein bisschen über das Reisen schreiben. Ich möchte hier niemanden angreifen und habe auch nicht die Weisheit gepachtet, es gibt sicher noch viel mehr Aspekte, die zutreffen.
Ich habe ein paar Hypothesen aufgestellt, die mir einfach so im Kopf herumgeschossen sind.
Warum reisen wir, was ist der Reiz daran? Es ist teuer, kostet Zeit und ist großteils mit viel Aufwand verbunden. Warum also verlassen wir immer wieder unsere gewohnte Umgebung, geliebte Freunde und Familie, um hunderte oder tausende Kilometer weit zu reisen?

1. Wir wollen mithalten können!
Heutzutage ist es selbstverständlich zu reisen. Ein Wochenendtrip nach Stockholm, eine Backpackertour durch Asien, Bergsteigen in Chile? Alles gar nicht mehr so unwahrscheinlich, ständig sind Freunde unterwegs und erzählen von dem letzten dreiwöchigen Abenteuerurlaub in Neuseeland. Wenn man da danebensitzt und laut kundtut, dass einen das gar nicht so reizt, wären einem skeptische Blicke sicher. Ich für meinen Teil liebe Reisen und finde, dass es für einen selbst einen unglaublichen Mehrwert hat, trotzdem bemerke ich immer wieder diesen komischen Trend in unserer Gesellschaft. „Wie, du warst noch nicht in allen Hauptstädten Europas?“ Eine Skandinavien-Reise gehört inzwischen zum guten Ton. Und wie bei so vielen Dingen haben wir Angst, etwas zu verpassen, nicht mitreden zu können. Badeurlaub in Italien? Neinnein, man möchte lieber am Strand in Ägypten liegen, auch wenn man aus dem All-Inclusive-Resort gar nicht herauskommt. Lieber mehr Kosten und Aufwand in Kauf nehmen als Gefahr laufen, etwas verpassen zu können.

2. Die Neugierde treibt uns an!

Ich bin von Natur aus neugierig. Was liegt hinter dem Haus? Könnte man theoretisch auch in Berlin campen? Und praktisch? Eine ausgezeichnete Motivation zum Reisen ist sicher die Neugierde. Dinge, die wir so nicht kennen, Landschaften, die uns bisher unwirklich schienen und Traditionen, die uns erstaunen. Wir möchten neue Dinge, Orte und Menschen kennenlernen und aus unserer gewohnten Umgebung ausbrechen.

3. Es gibt so viele Möglichkeiten!

Ich habe schon mehrfach gehört, dass manchen Leuten Reisen keinen Spaß macht. Das kann ich mir nur begrenzt vorstellen. Natürlich ist nicht jeder der per-Anhalter-durch-Indien -Typ und auch Museen versetzen bestimmt nicht alle in Hochstimmung, aber durch das vielfältige Angebot gibt es inzwischen unzählige Möglichkeiten, aus denen man schöpfen kann. Luxuriöser Urlaub, Backpacking, Zug, Auto, Städtetrips, Weltreise, Transsibirische Eisenbahn, Kreuzfahrt, es gibt für jedes Alter und jeden Geldbeutel Angebote. Danke World Wide Web! Man muss nur danach suchen und sich festlegen (was manchmal auch ein Problem darstellt). Diesem Angebot vollkommen zu widerstehen, ist schwierig.

4. Wir möchten uns verzaubern lassen!

Bei atemberaubenden Landschaftsfotos, Reiseberichten über eine Vulkan-Besteigung und Tauchervideos auf Youtube ist es schwierig, kalt zu bleiben. Man denkt sich automatisch „Hey – das kann ich doch auch, oder?“ All diese Dinge, über die berichtet wird, möchte man auch erleben. Bei mir gibt es so eine lange Liste an Ländern und Orten, die ich bereisen möchte, dass ich sie irgendwann gestrichen habe. 1000 Places you have to see before you die? Schön, aber ich möchte nicht bei Ort Nummer 82 Stress bekommen, weil ich erahne, dass das ganze Projekt knapp werden könnte. Lieber stöbere ich im Internet und denke mir bei Fotos, dass ich so ein Naturschauspiel auch mal erleben möchte. Muss ich dazu genau an den gleichen Ort, an dem die Person war? Muss ich auf dem gleichen Stein am Grand Canyon stehen, damit ich genau das gleiche Foto machen kann wie der Blogger? Muss ich jetzt auch in 10 Meter Tiefe abtauchen, obwohl ich totale Angst davor habe?
Nein, wir möchten fasziniert werden. Und das ist jeder Mensch auf eine andere Art und Weise. Gott sei Dank! Sonst würden ja alle Menschen der Welt nur noch vor der Freiheitsstatue rumhängen. Nadelwälder, Berge, Inseln und Kirchen können genauso verzaubern.

5. Wir möchten Erinnerungen schaffen!

Wenn man sich Fotos einer vergangenen Reise ansieht, wird man leicht sentimental. „Ach, war das schön! Ich würde gerne wieder hin!“ Warum fotografiert man dann überhaupt, könnte man fragen. Nur um sich später in tiefe Trauer zu stürzen? Oder vielleicht, weil man Erlebnisse festhalten möchte und Erinnerungen schaffen möchte. Schaut mal Kinder, hier war ich auf dem Gipfel des Mount Everest! Das war 2004. Gemeinsam mit dem besten Freund, dem Lebenspartner, einem anderen Pärchen, der Clique oder vielleicht auch den Eltern möchte man etwas erleben und es für die Zukunft im Kopf abspeichern. Warum sonst würde man nach der Rückkehr Fotobücher entwickeln lassen und Videos schneiden?

6. Wir reisen, weil wir können!

Die letzte Behauptung ist vielleicht ein bisschen an den Haaren herbeigezogen, aber ich finde sie trotzdem zutreffend. Warum waren unsere Großeltern großteils im eigenen Lang unterwegs? Weil es keinen Charterflug nach Paris gab? Ich denke, dass die Faszination, neue Länder und Traditionen kennenzulernen damals genauso groß war, es war nur nicht so einfach. Auch als Student kann man schon viel herumkommen. Vor meiner Indonesienreise war ich noch nie außerhalb von Europa gewesen und damit eine der wenigen in meinem Freundeskreis. Eltern fahren heutzutage nach Mauritius auf Familienurlaub und seltener an einen See. Wir haben einfach einen unglaublichen Bonus, der es uns erlaubt, viel zu reisen und nützen diesen auch dementsprechend.

Über das Thema kann man vermutlich tage- und nächtelang sprechen. Ich lese immer gerne Reiseberichte von Bloggern, aber auch Fotoposts haben ihren Reiz. Nicht nur die Travelguides an sich sind spannend, sondern auch die bloßen Gedanken, nicht alle ausformuliert aber sehr persönlich und viele davon durch und durch wahr.
Reisen ist einfach wundervoll, deswegen kann und möchte ich hier auch gar kein Fazit aus der ganzen Geschichte ziehen, sondern die Gedanken einfach so im Raum stehen lassen. Ich freue mich natürlich über eure Gedanken und Meinungen zu dem Thema, vielleicht seht ihr das Ganze auch ganz anders und könnt den Thesen gar nicht zustimmen?

Vielen Dank auf jeden Fall an Ariane, dass du mir den Raum gegeben hast für diesen Post!

Habt einen schönen Tag!
Charlotte

5 Gedanken zu “Gastbeitrag: Warum wir reisen”

  1. Ein schöner Post. Ich gestehe, ich gehöre auch eher zu den Menschen, die das Reisen skeptisch betrachten, und zwar aus dem Blickwinkel der Entschleunigung. Eben weil wir oft reisen, um mitreden zu können, versetzen wir uns doch oft unbewusst in Stress. "Alex hat einen Bungee-Sprung gemacht, komm, wir MÜSSEN Paragleiden" war ein Spruch aus meinem Freundeskreis, der mich mal stutzig gemacht hat.
    Natürlich, ich finde andere Kulturen auch schön und vielleicht zieht es mich mal weit weg irgendwann, aber bis es soweit ist, mache ich erst einmal Urlaub in der Nähe. Ich meine, hier habe ich ja auch alles: Bis Venedig ist es nicht weit mit dem Auto, Paris mit dem Zug in ca. Drei Stunden, die Alpen bei gutem Wetter in Sichtweite… Erst einmal will ich meine Umgebung kennenlernen, bevor ich mich mit anderen Kulturen auseinandersetze. Schließlich ist das auch ein Stück weit meine Kultur, meine Identität.

    In diesem Sinne,
    Liebe Grüße 😉
    Dani

    1. Hallo Dani, danke für deinen Kommentar. Ja, das verstehe ich sehr gut. Nur zu reisen, um "mithalten zu können" wie du sagst, finde ich auch furchtbar. Seit ein paar Jahren reise ich im Sommer immer mit einer Freundin in eine Stadt in Europa, die wir noch nicht kennen. Weil man eben wirklich schnell an ganz anderen Orten ist und es dort viel zu entdecken gibt. Ich finde es nämlich auch schade, wenn man sich gar nicht mit den vielen Kulturen um einen herum auseinandersetzt. Malediven, Costa Rica, alles schon bereist, aber Bratislava/Amsterdam/Paris? Fehlanzeige. So sollte es auch nicht sein 🙂 LG und dir einen schönen Sonntag!

  2. Zu Punkt 4 (es gibt zweimal Punkt 4? Ich meine den ersten ;)) und zu den beiden Kommentaren möchte ich sagen: Ja! Man muss ja wirklich gar nicht soweit weggehn um zu "Reisen". Es gibt in Deutschland so viele wunderbare Orte, die einen verzaubern können. Als total unsportlicher Mensch auf einen 2100 Meter hohen Berg klettern und von oben glücklich die Aussicht genießen zu können, das verzaubert einen auch, zumindest mich 🙂

  3. Sehr schöner Eintrag! Allerdings ist das Reisen nicht unbedingt an eine große Entfernung geknüpft, ein Besuch am Bodensee, in Südtirol oder andere nahe Orte kann genau so schöne Erlebnisse generieren 🙂

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