Ein bisschen Meer geht immer

Ich bin ja eigentlich eher ein Berg-Mensch. Klingt vielleicht komisch, aber die Meer- und Strand-Liebe vieler Menschen kann ich nicht so wirklich teilen. Klar, ein Sonnenuntergang mit Palmen über weißem Karibiksand ist schon nett, und es war auch schön, in Peru direkt an der Treppe zum Strand zu wohnen. Außerdem heißt auch für mich „Meer“ direkt Urlaub – der Blick auf die Wellen entspannt schon, das muss ich zugeben. Aber ich schwimme und bade nicht gerne, so fällt das Meer für mich in dieser Hinsicht schon mal flach, und die langen weiten Landschaften, die bei anderen Freiheit hervorrufen, finde ich eher langweilig. Berge und Hügel bieten wenigstens etwas Abwechslung fürs Auge!

Noch dazu kann man am Meer selten von unberührter Natur sprechen. Zumindest im Rücken hat man meist Strandkörbe oder Hochhäuser, und auch der Blick auf die Wellen ist selten nicht durch große Schiffe oder Häfen durchbrochen. Das ist vermutlich auch der Grund, warum ich noch nie an der Nordsee war. Die Entfernung ist groß und das Interesse klein. Noch dazu hatte ich unangenehme Erinnerungen an meinen Urlaub in Frankreich als Jugendliche, in dem Ebbe grundsätzlich mit abartigem Gestank nach Fisch und Undefinierbarem und Flut mit dem Fehlen eines Strandes einherging. Bei Ebbe Trostlosigkeit und bei Flut genauso, da nun das Wasser bis zur Kaimauer schwappte und nur noch die hässlichen Hochhäuser dahinter sichtbar ließ. Und Ebbe und Flut ist schließlich etwas, für das das Wattenmeer bekannt ist.

Deshalb, wie das immer so ist, musste ich erst aus einem anderen Grund an die Nordsee reisen, um es dort schön zu finden. Das Blogger-Event #djhrockt bot die ideale Gelegenheit. „Neuharligersiel“, meinte jeder, dem ich davon erzählte, „toll, das muss direkt am Meer sein!“ Warum? Ein Siel ist eine Art Tor im Deich, durch das überschüssiges Wasser beispielsweise nach einem Unwetter zurück ins Meer fließen kann. Und so ein Tor macht ja nur direkt am Meer Sinn – weshalb ein solcher Ortsname einen Hinweis für die Strandlage liefert.

So war es dann auch in Neuharligersiel, und dank des tollen Wetters machten wir uns direkt nach der Begrüßung auf, um die ersten Programmpunkte des Events am Strand abzuhalten. Zwischen Strandkörben im weichen Sand sitzen und mit den Fingern Muster zwischen Muscheln malen, ist schon mal ein ziemlich guter Einstieg.

Entspannt geht es weiter, die Unterkunft ist ein Traum und alle Teilnehmerinnen richtig gut drauf. Vielleicht hat das Meer ja auch damit etwas zu tun. „En el mar, la vida es más sabrosa, en el mar, todo es felicidad“, sang schon Carlos Argentino, am Meer schmeckt das Leben besser, am Meer ist alles voller Glück. Was hier auf jeden Fall besser schmeckt, ist die Luft. Ich bin ja gegen ungefähr alles, was fliegt, allergisch und habe etwa drei Viertel des Jahres die Nase zu. An der Nordsee fällt mir erst nach einem halben Tag auf – dass mir nichts auffällt. Dass ich auf einmal ganz ohne Probleme atmen kann, dass meine Nase frei ist.

Davon mal abgesehen, und ganz unabhängig vom Meer, ist das DJH Resort eine tolle Anlage – und etwas ganz anderes, als ich mir unter dem Begriff Jugendherberge vorgestellt hatte. Mal ganz ehrlich, wann warst du das letzte Mal in einer Jugendherberge? Ich zuvor auf Klassenfahrt in Lindau, und das ist inzwischen über sechs Jahre her.

Jugendherberge, dem Begriff haftet etwas Altbackenes an. Im Auto bei der Fahrt an die Nordsee hatten Sarah und ich uns bereits über das Thema unterhalten und kamen zum selben Schluss: Jugendherberge, das klingt nach einer Form von Unterkunft, in der es mehr Verbote und Fingerzeig gibt als Spaß und Entspannung. Bettwäsche selbst beziehen, aber ja ordentlich, zum Essen nur Tee, und um 22 Uhr wird das Licht ausgemacht!

Im DJH Resort wurde ich eines Besseren belehrt und lernte, dass jede Jugendherberge anders aufgebaut ist. Manche sind ganz auf Klassenfahrten ausgerichtet, andere entsprechen quasi Hostels und wieder andere wie das Resort in Neuharligersiel haben ganz eigene Konzepte. Hier erwarten uns große Zimmer und frisch bezogene Doppelbetten mit Süßigkeiten auf dem Kissen. Auf dem Gelände gibt es neben den Zimmern noch kleine Bungalows für Familien oder Gruppen, in denen man schläft wie in einer gemütlichen Hütte.

Alle möglichen Aktivitäten wie Bogenschießen, Stand Up-Paddling, Kanufahren oder Cajón-Spielen können tagsüber ausprobiert werden und falls man als Gast doch mal die Anlage verlassen möchte, stehen Fahrräder bereit. Zum Strand sind es radelnd nur wenige Minuten über flaches Land.

Das Essen schmeckt einfach großartig und es gibt irrsinnig viel Auswahl. Und entgegen meiner Klischees von Klassenfahrten und Verboten gibt es hier auch Kaffee und alkoholische Getränke. Eben ganz wie in einem normalen Hotel, nur irgendwie sympathischer.

Jugendherbergen sind vergleichsweise preiswert und eine gute Alternative zu Hostels und Hotels – Tatsache! Um sich zwischen den verschiedenen Angeboten zurechtzufinden, gibt es auf der Website ein Kategorien-System für viel oder wenig Komfort, und man kann auch nach speziellen Unterkünften suchen. Wusstest du, dass es Jugendherbergen gibt, die in Windmühlen oder Burgen untergebracht sind oder du an verschiedenen Orten in einem Baumhaus übernachten kannst?

Und nebenbei unterstützt man, wenn man in einer Jugendherberge bucht, einen Verein, der seit über 100 Jahren für Werte wie Nachhaltigkeit und interkulturellen Austausch eintritt. Die Jugendherbergen werden unter ökologischen Gesichtspunkten gestaltet und geleitet und inzwischen gibt es sogar Bio-zertifizierte Herbergen. In den letzten Wochen und Monaten haben die deutschen Jugendherbergen auch Räume für Flüchtlinge freigehalten. Klingt jetzt wie das große Werbetrommel-Rühren, aber ich wurde nicht gekauft und meine das wirklich so 😉

Ich bin, ehrlich gesagt, selbst ein wenig überrascht davon, dass ich Jugendherbergen nie als Unterkunft in Erwägung gezogen habe, wenn ich in Deutschland unterwegs war. Das wird sich in Zukunft definitiv ändern!

So, aber eigentlich wollte ich ja über das Meer schreiben. Am Samstag ging es dann noch einmal zum Strand und zu einem kleinen Hafenfest in Neuharligersiel, wo mittags Krabben direkt frisch vom Kutter verkauft wurden. Wow! Ich muss ja ganz ehrlich sagen, mit einem Blick auf den Hafen hätte ich vermutet, die Schiffe stünden dort nur zu Dekorationszwecken, so alt und hübsch sahen sie aus, mit passenden Seilen und Netzen.

Antje belehrte mich dann eines Besseren: Tatsache, da werden noch fleißig von echten Seemännern auf kleinen Kuttern Krabben aus der Nordsee gefischt. Direkt am Hafen kauft man sie ungepult, im Supermarkt liegen sie verzehrfertig. Das Problem daran: Die Krabben werden von Neuharligersiel und den anderen Küstenorten nach Marokko gebracht, dort gepult und wieder zurückgefahren. Das hat man dann davon, dass man ein „lokales“ Produkt direkt von der Nordsee kauft…

Ich lerne noch viel mehr, zum Beispiel über Priele, Furchen im Watt, in denen auch bei Ebbe Wasser fließt oder in die das Wasser zumindest als erstes zurückkehrt, über die Deiche und darüber, dass es gar nicht so gruselig ist, unter dem Meeresspiegel zu wohnen, wie ich immer dachte. Faszinierend für mich ist, wie sich die Menschen hier mit teilweise jahrhundertalten Methoden ihren Lebensraum bewahren. Denn wer am Meer lebt, der hat einen sehr aktiven Nachbarn, mit dem er sich arrangieren muss.

Am Meer leben heißt auch immer, mit dem Meer leben, und das klappt erstaunlich gut. Auch bei unserer Wattführung am Sonntag komme ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Von Wattwürmern, Muscheln und Krebstieren hatte ich ja schon gehört, aber es ist dann doch noch einmal etwas ganz anderes, wenn man live sieht, wie sich eine Muschel selbst in den Sand eingräbt.

Lange Rede, kurzer Sinn: Ich muss doch öfter mal ans Meer. Und wenn nur, um mir ein paar Tage Lungenkur pro Jahr zu gönnen und ein paar Wattwürmer zu grüßen. Sinn Nummer zwei: Jugendherbergen sind cool. Solltest du mit Familie verreisen, schau dir doch mal das DJH Resort ein bisschen genauer an, vielleicht ist das ja was für den nächsten Sommer?! Ich kann es wärmstens weiterempfehlen.

Wann warst du zuletzt in einer Jugendherberge? Und zieht es dich oft ans Meer?

2 Gedanken zu “Ein bisschen Meer geht immer”

  1. Hi Ariane,
    ich habe vor ein paar Jahren mal auf der zuckersüßen holländischen Insel Ameland in einer Jugendherberge übernachtet und war ähnlich überrascht wie du. Es war günstig, das Zimmer war total gut und es hatte ganz und gar nichts mehr mit meinen Erinnerungen aus Kindheitstagen zu tun. Jugendherbergen sind in Europa echt eine unterschätzte Alternative zu Hotels und Hostels.
    Liebe Grüße, Julia

    1. Ja, ich werde in Zukunft jetzt bestimmt öfter mal in einer Jugendherberge übernachten – sehr sympathisch dort!

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