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Malmö ist ein Versprechen

Ein Sommertag in Malmö, das ist wie die hippe Großstadt-Version von Ferien auf Saltkrokkan. Sorgen gibt’s hier keine, und wenn doch, dann helfen Zimtschnecken – und der Blick über den in Pastellfarben getauchten Öresund. Ein Tag dieser Stadt ist wie ein Versprechen darauf, dass Zukunftsvisionen auch wahr werden können.

Eine Fahrt durch flüssige Zuckerwatte

„Wenn irgendwas passiert, setzt der Kapitän uns einfach auf eine Sandbank und wir warten, bis wir abgeholt werden“, erklärt man uns, als es draußen zum fünften Mal blitzt. So weit, so Routine. Eine Fahrt von Travemünde nach Trelleborg ist nun mal keine Reise durch das Bermuda-Dreieck. Das kann man langweilig finden. Oder beruhigend, wenn draußen gerade Liter über Liter aufs Meer prasselt.

Drinnen in der „Nils Holgersson“ spürt man vom Unwetter so gar nichts, wir können vollkommen ruckelfrei das Buffet genießen und unsere Reise schon beim Einsteigen anfangen lassen. Wobei, Unwetter, das sage ich als sonnenverwöhnte Südgermanin. Für alle, die das Meer gewohnt sind, ist das wahrscheinlich maximal eine steife Brise mit ein paar Schauern drin.

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Wie auch immer – am nächsten Morgen ist alles vergessen. Die See liegt so ruhig da, als hätte sie von so etwas wie Gewitter höchstens mal entrückt geträumt, und Himmel und Wasser gehen fast horizontlos in Pastellfarben ineinander über, als hätte jemand seinen Wasserfarbenkasten über der aufgehenden Morgensonne ausgekippt. Um fünf Uhr morgens haben es noch nicht so viele aufs Deck geschafft, ein paar der Trucker, die gemeinsam mit ihrem Gefährt und einigen Paletten Bier nach Schweden übersetzen, für die erste Zigarette. Daneben ein paar Jack Wolfskin-bejackte Frühaufsteher. Auf der Sonnenterrasse, ganz oben, stehen die Plastikstühle artig aufgereiht in den Pfützen von gestern Abend und warten auf den verheißungsvollen Tag.

Um uns herum – Zuckerwatte. Flüssig. Und dieser grellorange Ball, der sich aus den Fluten erhebt und seine Strahlen auf den Wellen tanzen lässt.

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Angekommen in Schweden

Was sich da irgendwo vor uns aus dem Morgennebel erhebt, sieht aus wie ein Märchenschloss, ist aber ein anderes großes Schiff, das uns entgegenkommt. Und irgendwann ist da Land, Hafen, geschäftiges Treiben, während der Tag erwacht. Eigentlich schade, dass es so schnell geht – so ein paar Stunden mehr in einem der Plastikstühle auf der Sonnenterrasse, mit Blick übers Wasser oder der Nase in einem Buch, dagegen hätte ich absolut nichts.

Stattdessen rufen uns Durchsagen an Deck. Das Schiff verlassen wir Fußgänger per Bus. Während die Autos früher noch per Kran ins Boot und wieder heraus gehoben werden mussten, ist auf der Fähre mittlerweile alles auf die rollenden Mitreisenden ausgerichtet. Eines nach dem anderen schieben sie sich von Bord und weiter auf die Autobahn. In Trelleborg bleibt wohl kaum eines von ihnen, es geht weiter, auch für uns.

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Links und rechts steht der Raps in gelber Blüte, und ich bin entzückt, als ein paar der Bauernhöfe tatsächlich die typische rote Michel aus Lönneberga-Farbe besitzen. Man merkt: Ich bin zum ersten Mal in Schweden. Und somit auch zum ersten Mal in Malmö, dieser Stadt, die ich vor allem mit Kreativität, Innovation und Design verbinde.

Von der Industriestadt zur Hipster-Metropole

Was mir an Malmö zuerst auffällt, ist die Verbindung aus alt und neu. Früher höchstens ein Stopp auf der Weiterfahrt ins damals wichtigere Lund, wurde Malmö durch den Fischfang zu einer reichen Handelsstadt, wovon noch viele prachtvolle Gebäude im Stadtzentrum zeugen. Danach war hier der Schiffsbau der wichtigste Wirtschaftsfaktor – was Malmö zwar wohlhabend bleiben ließ, aber nicht mehr unbedingt schöner machte. In den 1980er und 1990er Jahren verloren mit der Werftkrise 30.000 Menschen ihre Arbeit.

Trotzdem gab man die Hoffnung nicht auf – und die Entwicklung von der tristen Industriestadt hin zur hippen Trend-Metropole ist beispiellos. 1998 wurde die Universität gegründet und bekam direkt einen Schwerpunkt auf Umweltwissenschaften und Informationstechnologie. Malmö ist heute die jüngste Stadt Schwedens und geprägt durch nachhaltige Stadtentwicklungsprojekte, spannende Architektur, alternative Cafés und großartige Restaurants. Dabei haben die vielen neuen Gebäude, die Konstruktionen aus Glas und Metall, die alten Backsteinbauten keinesfalls verdrängt. Auch, wenn neue Wahrzeichen wie die „städtischen Hosenträger“ bestimmt nicht jedem gefallen: Ich find’s großartig, wenn neue Ideen das Alte ergänzen, statt es zu ersetzen.

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Alte und neue Architektur in Malmö – rechts übrigens die „Hosenträger“, in schwarz.

Einen wichtigen Anteil an der Entwicklung Malmös hatte die Öresund-Brücke, die man vom Strand aus an den meisten Tagen maximal ein Stück weit sieht, der Rest hängt im sanften Nebel. 2000 eingeweiht, holte sie das damals noch triste Malmö mitten nach Europa.

Ich bin schwer beeindruckt. Wüsste ich nichts von der Geschichte der Stadt, ich hätte niemals vermutet, dass es hier vor zwanzig Jahren noch ganz anders aussah. Schon ein einfacher Stadtbummel inspiriert und begeistert. Vielleicht bilde ich mir das auch nur ein, nachdem ich so viel gehört habe von der Wissens- und Medienstadt Malmö, doch ich finde, die Atmosphäre aus spannenden Ideen, gelebter Nachhaltigkeit und der Vision einer offenen, gemeinschaftlichen Gesellschaft, die ist hier irgendwie spürbar. So viele gut aussehende Menschen, so viele gemütliche Cafés, so viele stilvolle Geschäfte!

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Das Katzen-Kunstprojekt soll übrigens auch Menschen, die alleine sind, einladen, auf den Stufen Platz zu nehmen. Durch die Tiere aus Metall sollen sie sich dann weniger einsam fühlen.

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Weil es auch anders geht

Aus einem deutschen Blickwinkel heraus würde man sagen: Da trifft sich dann ohnehin nur ein ganz bestimmtes Segment der Stadtbevölkerung. Und für viele Lokalitäten mag das zutreffen.

Ein Gegenbeispiel ist jedoch das Slottsträdgårdens kafé, das hinter dem Schloss Malmöhus inmitten von Blumenbeeten und Gewächshäusern liegt. Krähen machen sich über heruntergefallene Kuchenkrümel her, während bunte Girlanden in der Küstenbrise wehen. Im Hintergrund der Blick auf eine alte Windmühle und unzählige bunte Tulpen. Serviert werden Suppen und Kuchen, alles aus biologisch angebauten Zutaten, das Publikum könnte gemischter nicht sein – der bunte Schlosspark zieht Familien genauso an wie Studenten oder Rentner. Wer mit dem Essen fertig ist, räumt sein Geschirr selbst weg. So eine ungezwungene Atmosphäre vermisse ich in vielen deutschen Städten häufig.

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Wer hier gemütlich sitzt und eine typisch schwedische Zimtschnecke verputzt, der kann wahrscheinlich gar nicht anders, als direkt einziehen zu wollen.

Mein erster Eindruck von Malmö? Die Stadt ist ein Versprechen, dass es auch anders geht. Dass man das Leben auch ein bisschen entspannter angehen kann, und es trotzdem funktioniert. Dass die unterschiedlichsten Menschen sich hier treffen, kennen lernen und auch noch verstehen können. Dass es für alle Zukunftsprobleme nicht nur Lösungen gibt, sondern diese Lösungen auch noch stylisch aussehen können. Ich weiß, das ist zu idealistisch – und auch in Malmö läuft längst nicht alles rund. Doch hier im Schlossgarten zumindest kann man gar nicht anders, als sich wohl zu fühlen.

Ganz ähnlich geht es mir in der hippen Markthalle Saluhall im modernen Teil von Malmö, direkt hinter dem Komplex Malmö Live. Davor findet man kaum noch einen Platz für das eigene Fahrrad, drinnen gibt es alles, was das Schwedenherz begehrt, sowie Gerichte aus aller Welt. Hier im Hof in der Sonne sitzen und im Anschluss noch ein paar Zimtschnecken fürs Frühstück am nächsten Tag mit nach Hause nehmen – damit wäre mein Nachmittag schon mal gerettet!

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Zwar nicht in der Markthalle, aber ebenfalls zu empfehlen: Mittagessen im Fischrestaurant Johan P.

Sonnenuntergang über Malmö

Ein wenig schicker geht es zu in der Rooftop-Bar Grilljanne, die ein wenig versteckt auf der obersten Etage eines Hotelgebäudes liegt. Von der Dachterrasse aus sieht man fast über ganz Malmö, und in Richtung Westen auch übers Meer – traumhaften Sonnenuntergang inklusive. Alle scheinen ergriffen von den Farben, dem sanften Streifen rosé-gelb am Horizont, Handys werden gezückt, einen Platz direkt am Geländer muss man sich quasi erkämpfen. Draußen ziehen die Schiffe vorbei, so langsam, wie es zu diesem Abendlicht passt, ein kleines Boot schiebt sich aus dem Hafen hinaus in Richtung der untergehenden Sonne und hinterlässt lange Streifen auf dem stillen Wasser.

Die Sonnenuntergänge in Malmö sind wie die Stadt selbst, denke ich. So unaufgeregt schön.

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Von diesem Abendlicht und dem Meer kann man nicht genug bekommen, und so braucht es nicht viel, bis ich mich von Elke und Sabine überreden lasse, noch einmal mit dem Fahrrad zum Strand zu fahren. Ja, Strand, mitten in der Stadt – in ganz Noreuropa gibt es das nur in Malmö, und zwar über ganze zweieinhalb Kilometer. Der Blick geht nach links auf die Öresundbrücke, wenn sie nicht gerade im Dunst verschwindet, und nach rechts auf den Turning Torso, den 190 Meter hohen Wohnturm, der in seiner Drehung einer Wirbelsäule oder einem menschlichen Körper nachempfunden ist – und gerade vor der untergehenden Sonne eine gute Figur macht.

Zum Strand gibt es keinen Weg, so fahren wir bald quer über eine ruckelige Wiese, mitten im Dunkeln. Der Sommertag klingt aus, es wird angenehm kühl. Ganz leicht schmeckt man das Salz in der Luft, spürt die Brise um die Nase. Als wir am Wasser ankommen, fährt in der Ferne ein beleuchtetes Schiff vorbei, vielleicht die Fähre zurück nach Travemünde.

Malmö schafft es, abends die beeindruckendsten Farben an den Himmel zu pulvern, und dabei trotzdem noch diese ungewöhnlich stille Leichtigkeit zu verbreiten. Hier wirkt alles ganz einfach.

An einem Sommertag in Malmö kann man Sorgen, glaube ich, ziemlich gut vergessen. Vor allem, wenn die Sonne, je näher es auf Ende Juni zugeht, kaum noch unterzugehen scheint. Wenn sich der Sonnenuntergang so endlos zieht, dass man aus dem Seufzen gar nicht mehr herauskommt. Und das Meeresrauschen sich langsam so sehr in den Ohren festsetzt, dass man es vermisst, sobald man im Bett liegt.

„Nach Schweden fährt man entweder einmal, oder immer wieder“, wurde ich als Schweden-Neuling noch bei der Überfahrt gewarnt.

Was soll ich sagen? Meine nächste Schweden-Reise für September ist schon fest geplant. Und auch das mit Malmö und mir, das war garantiert nicht das letzte Mal.

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Mehr Informationen

Mit der Fähre nach Malmö
TT-Line fährt mehrmals täglich von Travemünde und Rostock aus nach Trelleborg in Schweden. Die Fährfahrt hat zwei Vorteile: Zum einen ist die Schiffahrt (und, falls ihr es schafft, euch früh aus den Federn zu quälen, der Sonnenaufgang auf dem Meer!) wirklich ein schönes Erlebnis – und es ist nicht übertrieben, wenn ich sage, dass der Urlaub damit beginnt, dass man das Schiff betritt. Und zum anderen lohnt es sich, falls ihr vorhabt, mehr von Schweden zu sehen als nur Malmö, natürlich, das eigene Auto mitzunehmen. Die Preise unterscheiden sich je nach Tag- und Nachtfahrt und gehen von Travemünde aus hin und zurück ab 99 Euro für einen PKW und bis zu fünf Personen los. Zusätzlich gibt es bei TT-Line auch Angebote für Wochenendreisen inklusive Übernachtung nach Malmö und Kopenhagen oder Lund.
Aktivitäten in Malmö
Viel empfehlen muss man hier wohl gar nicht – die Aktivitäten ergeben sich in Malmö ganz von selbst. Wer keine Lust mehr darauf haben sollte, am Strand spazieren zu gehen, sich durch Fischgerichte und Zimtschnecken zu schlemmen oder auf Window Shopping-Tour durch die Designläden zu streifen, der kann zum Beispiel eine Fahrradtour auf den Spuren eines der berühmtesten Söhne Malmös unternehmen: Zlatan Ibrahimovic! Auch für Nicht-Fußballfans ist es spannend, etwas über den umstrittenen Helden Schwedens zu erfahren – und durch die Tour bekommt man Einblicke in Stadtviertel, die man als Touristin sonst eher weniger besuchen würde. Wer viel Zeit in Malmö hat, für den bietet sich ein Ausflug an den Strand von Bjärred an, in die Nachbarstadt Kopenhagen oder ins nahe gelegene Studentenstädtchen Lund.
Mehr lesen?
Über die Fährfahrt von Travemünde nach Trelleborg hat auch Elke vom Meerblog geschrieben. Ihre Tipps für Malmö hat sie übrigens in einem tollen Artikel für einen Sommertag in der Stadt zusammengefasst. Und Sabine vom Looping Magazin zählt zwölf Dinge auf, die man in Malmö nicht verpassen darf – hier findet ihr Teil eins und Teil zwei.

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Meine Reise nach Malmö
Nach Malmö wurde ich von TT-Line eingeladen. Der Aufenthalt für Recherchezwecke war für mich kostenlos. Meine Begeisterung ist allerdings unbezahlbar – in diesem wie in allen Artikeln veröffentliche ich stets meine ehrliche Meinung.

3 Gedanken zu “Malmö ist ein Versprechen”

  1. Wow was für tolle Bilder. Ich möchte auch unbedingt mal nach Schweden. Ich war als Teenager einmal für 3 Wochen in Norwegen und das war auch phantastisch. Auch wenn wir damals in keiner Stadt waren.

    Die Bilder sind wunderschön!

  2. So ein schöner Post! Und deine Fotos… Ich bin mittlerweile an einem Punkt angekommen, dass ich denke, ich möchte mich die nächsten Jahre eher wieder auf Europa konzentrieren. Europa hat so viel zu bieten!
    Eine Freundin von mir war vergangenen Sommer in Malmö und begeistert. Und jetzt du auch – da muss ich unbedingt hin!
    Danke für deine Tipps und diese atemberaubenden Sonnenauf- und -untergänge!
    Viele Grüße,
    Malika

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