Kulinarisch durch die Regensburger Altstadt

Stadtführungen haftet ja gerne mal ein etwas altbackenes, langweiliges Image an. Wer erinnert sich nicht an Klassenausflüge, auf denen man bei vierzig Grad im Schatten durch kleine Gassen und mittelalterliche Plätze gescheucht wurde und in Gedanken eigentlich schon längst im Freibad war?

Und gerade, wer selbst in touristisch beliebten Städten wohnt, kann sie irgendwann einfach nicht mehr ertragen, die Horden an gut gelaunten Männern und Frauen fünfundsechzig plus, in medizinisch korrekten Freizeitschuhen und beigen Wanderwesten, die einer jungen Frau mit Regenschirm oder anderem Erkennungsmerkmal in der Hand hinterherdackeln. In Regensburg weiß man im Sommer bereits, welche Teile der Innenstadt man besser meiden sollte – schon allein, weil Touristengruppen immer und grundsätzlich die Wege versperren, die man als Einheimische nutzen möchte, um von A nach B zu kommen.

Ein Hoch auf die Stadtführung!

Stadtführungen, nein danke – das habe ich mir früher gedacht. Dann war ich in Amsterdam auf einer Free Walking Tour und komplett begeistert. So schön wie es ist, sich ganz allein und ohne Anleitung in einer fremden Stadt treiben zu lassen, so spannend war es, Amsterdam von einer Einheimischen gezeigt zu bekommen. Die Art, wie sie uns herumführte, erinnerte mich an die vielen Male, an denen mir Couchsurfer bereits ihre Stadt gezeigt haben: Es ging an Lieblingsorte genauso wie an geschichtsträchtige Monumente, es gab Tipps für die schönsten und besondersten Restaurants und Cafés und zwischendurch wurden wir auf bestimmte Dinge hingewiesen oder uns wurden ein paar Anekdoten zur Stadt erzählt. Ohne die Tour hätten wir nie gesehen, dass im Amsterdamer Rotlichtviertel tatsächlich ein ganz normaler Kindergarten liegt, oder erfahren, dass in Amsterdam mehr Fahrräder als Einwohner existieren und von Ersteren schätzungsweise 25.000 jährlich in Amsterdams Kanälen landen.

Auch in Ljubljana, Zagreb und Budapest lief ich bei Free Walking Tours mit und war vor allem bei der Tour durchs Jüdische Viertel in Budapest richtig begeistert. Unser Guide dort, eine junge Ungarin, hatte selbst jüdische Wurzeln und konnte uns daher nicht nur Geschichtsinfos, sondern auch Berichte über die aktuelle Situation der jüdischen Gemeinde in Budapest liefern. Jede Tour war anders, doch etwas hatten alle gemeinsam: Es gab keine roten Signalregenschirme, keine blöden halbgaren Anekdoten und keine beigen Wanderwesten. Stattdessen ging es einfach darum, ein Bild der Stadt zu vermitteln, und die Begeisterung über den eigenen Wohnort auch an die Gäste zu übertragen.

Seitdem weiß ich: Stadtführungen sind definitiv eine coole Möglichkeit, eine neue Stadt kennen zu lernen und Geheimtipps zu entdecken.

Die eigene Heimat entdecken

Doch was ist mit der eigenen Heimatstadt? Man denkt, man hat alles gesehen, und läuft doch immer nur die selben Wege. Man spielt selbst Stadtführerin für Freunde, die zu Besuch sind, und stellt fest, dass man viel zu wenig zu den geschichtsträchtigen Gebäuden sagen kann. Man ist überrascht davon, wie schnell sich die eigene Stadt verändert – und findet sich manchmal selbst kaum mehr zurecht.

So geht es mir zumindest mit meiner Heimatstadt Regensburg: Ich habe achtzehn Jahre lang dort gelebt, bin nun aber seit mehr als vier Jahren nur noch zu Besuch. Dass Regensburg eine traumhaft schöne Innenstadt hat, in der es immer etwas Neues zu entdecken gibt, weiß ich. Und doch – wenn ich dort bin, verlasse ich oft kaum das Haus meiner Eltern am Stadtrand. Mit Freunden treffe ich mich normalerweise in den immer gleichen Restaurants und Cafés. Auf Vorschläge à la „Wir könnten doch auch mal wieder dort hingehen!“ höre ich ein erstauntes „Das hat seit zwei Jahren geschlossen!“. Und so langsam stelle ich fest, dass ich manche Wege nicht mehr auf Anhieb finde… Es wird also Zeit, das Altbekannte wiederzuentdecken!

Hilfe bei dieser Mission bekam ich vom Team von eat-the-world, das mich zu einer kulinarischen Stadtführung in den Osten der Regensburger Altstadt einlud. Die Idee, Stadtführungen mit Probierportionen in Cafés, Restaurants und Läden zu verbinden, fand ich sofort klasse. Liebe geht schließlich durch den Magen, und warum sollte es mit der Begeisterung für die eigene Stadt anders sein?!

Kulinarisch eine Stadt entdecken

Bei den Touren von eat-the-world geht es darum, historische Fakten mit dem heutigen, echten Leben in der jeweiligen Stadt zu verknüpfen. Der Alltag der jeweiligen Stadt soll auf interessante Weise präsentiert und in Zusammenhang mit der Geschichte gebracht werden. Frei nach dem Gedanken, dass sich Lebensart und Atmosphäre einer Stadt vor allem in den Essgewohnheiten niederschlagen, gibt es an verschiedenen Stationen etwas zu probieren. Es werden sowohl alteingesessene als auch ganz frische Lokale und Läden besucht, der Schwerpunkt liegt jedoch auf kleinen Betrieben, die hohe kulinarische Qualität bieten und das, was sie tun, wirklich als Handwerk verstehen. Ganz wichtig auch: Es geht nur in nicht-touristische, authentische Cafés und Restaurants, eben da hin, wo auch die Einheimischen zu Mittag essen oder ihren Kaffee trinken.

Wir machen fremden Alltag interessant. eat-the-world

Eine Stadt über das Essen kennen lernen – eine schöne Idee! Und wo sollte das besser gehen als in Regensburg, wo sich in der Innenstadt ein Café an das nächste reiht?! Noch dazu nennt sich Regensburg nicht umsonst die „nördlichste Stadt Italiens“ – im Sommer stehen auf fast jedem Platz in der Altstadt die Tische dicht an dicht. Leckeres Essen muss man hier also schon mal nicht suchen!

Der Osten der Altstadt

Etwas perplex war ich dann jedoch, als ich las, dass es in die östliche Altstadt gehen würde. Das ist die Gegend, in der ich zur Schule gegangen bin – und nicht unbedingt das, wo ich Touristen hinschicken würde. Dom, Steinerne Brücke, Rathaus, Schloss Thurn und Taxis, das sind die Touri-Orte, und die befinden sich in der Mitte der Innenstadt. Der Osten der Regensburger Altstadt wurde in der Vergangenheit eher stiefmütterlich behandelt. Die Ostengasse beispielsweise war früher ziemlich heruntergekommen, was ich allerdings sehr mochte. Da gab es zum Beispiel ein altes Haus, das zeitweise unter Denkmalschutz stand und in dem und an den Wänden rundherum sich lauter Street Art-Künstler mit großartigen Arbeiten verewigt hatten. Davor war eine Wiese angelegt, auf der man im Sommer wunderbar sitzen konnte, und noch davor fand am Wochenende immer ein kleiner Markt statt. Heute ist das Graffiti-Haus abgerissen, Wiese und Marktplatz genauso, und auf dem Platz entstehen Wohnungen und ein riesiges neues Museum.

Interessante Restaurants, hier in der Gegend? Das ließ mich etwas die Stirn runzeln. Doch ein Blick auf den Treffpunkt und ich konnte mir schon denken, was der erste Stopp sein würde: Die Markthalle, 2009 eröffnet inmitten eines Parkhauses. Was damals vor allem für Spott und Unverständnis sorgte, ist heute kaum mehr wegzudenken. Das Parkhaus am Dachauplatz war früher ein Schandfleck, auch wenn es einen Teil der ehemaligen Mauer des römischen Lagers Castra Regina beherbergte. Heute teilen sich ein Bio-Supermarkt und die Markthalle das Erdgeschoss, und im Untergeschoss wurde das Mauerstück durch Beleuchtung richtig zur Geltung gebracht. Mehrere Bildschirme und Infotafeln machen es fast zu einem kostenlosen Mini-Museum.

kulinarische Stadtführung Regensburg

Die Markthalle selbst wurde einer mediterranen Markthalle nachempfunden, ist jedoch um einiges kleiner und aufgeräumter. Jeder Marktstand ist irgendwie etwas Besonderes, und man kann hier sowohl Lebensmittel einkaufen als auch direkt fertig zubereitet essen. Wir machten Halt bei der Casa della Pasta, einem italienischen Marktstand mit frischen, selbst gemachten Nudeln und einer riesigen Fischtheke. Für uns gab es sehr leckere Pasta mit Lachs, doch mich haben vor allem die gefüllten Tortellini und Ravioli in der Theke angelacht – irgendwann muss ich noch einmal wiederkommen und mich hier für ein fantastisches Abendessen eindecken! Doch auch, wenn man gar nichts braucht, ist ein Besuch in der Markthalle ein schöner Zwischenstopp: Man kann in der Casa della Pasta den Köchen bei der Arbeit zusehen, und für alle, die etwas wirklich Besonderes machen wollen, gibt es in einer Ecke der Halle sogar eine Kochschule, die von altbayerischen Gerichten bis hin zu Sushi alle möglichen Kurse anbietet.

kulinarische Stadtführung Regensburg

kulinarische Stadtführung Regensburg

Warum die Tour durch den Regensburger Osten ging, war schnell erklärt: Der Westen der Altstadt ist relativ touristisch, die meisten Tages- oder Wochenendbesucher hüpfen nur zwischen Brücke, Dom und Rathaus umher, und so bleibt die östliche Altstadt von den meisten unbeachtet. Hier finden sich keine touristischen Lokale und man bekommt einen etwas „authentischeren“ Einblick in das Leben in der Stadt.

Meine Highlights

Allzu viel möchte ich von der Tour natürlich nicht verraten – falls es dich mal nach Regensburg verschlägt und du Lust darauf hast, soll es ja noch eine Überraschung bleiben! Besonders schön fand ich auf jeden Fall, dass die angesteuerten Lokale so vielseitig waren. Von den sieben Restaurants, Cafés und Läden waren drei echte alte Regensburger Institutionen, zwei dagegen waren so frisch, dass ich sie selbst nicht kannte. Jeder Probier-Stop war etwas ganz Besonderes: Mal bekamen wir die hauseigene Kaffeerösterei gezeigt und erklärt, mal stand die Besitzerin mit uns am Tisch und erzählte ein paar Anekdoten. Bei allen Betrieben hatte ich das Gefühl, dass das Kochen, Backen und Fertigen als Handwerk verstanden wurde und nicht als schnelles Abfertigen der Gäste. Die Liebe zum eigenen Tun und die Begeisterung für das jeweilige Produkt war einfach spürbar, und das war das eigentlich Besondere der Tour.

So – und was kann ich nun an kulinarischen Institutionen im Osten der Regensburger Altstadt empfehlen? Zunächst einmal den Leeren Beutel, der nicht nur Restaurant, sondern auch Veranstaltungsbühne, Kino und Museum gleichzeitig ist. Hier laufen spannende Filme, die es nicht in die großen Kinos schaffen, und es gibt immer wieder wechselnde Ausstellungen. Noch dazu ist das Gebäude an sich fast museumsreif, es ist nämlich ein ehemaliger Getreidespeicher aus dem 16. Jahrhundert. Das Restaurant im Leeren Beutel hat sich der Slow-Food-Bewegung verschrieben und verwendet nur frische und möglichst saisonale Zutaten. Auch Vegetarier und Veganer werden auf der Karte berücksichtigt. Für die hohe Qualität des Essens zahlt man dann auch mal ein bisschen mehr, doch wer sparen möchte, kann auf das Mittagsmenü zurückgreifen: Täglich zwischen 11 und 14 Uhr gibt es Vor- und Hauptspeise für nur 6,50 €, die Gerichte wechseln dabei jeden Tag. Wir bekamen auf unserer Tour eine Karotten-Ingwer-Suppe vorgesetzt, die einfach großartig war. Selbst gebackenes Weißbrot und die schöne Atmosphäre des alten Gemäuers mit Steinwänden und Holzbalken gabs oben drauf.

kulinarische Stadtführung Regensburg

Als zweites noch ein Café, das wirklich etwas abseits vom Schuss liegt und das in Regensburg wohl trotzdem jeder kennt: das „Pernsteiner“. Vor über 100 Jahren wurde die Konditorei in Böhmen gegründet und 1948 nach Vertreibung und Umsiedlung der Familie Pernsteiner in Regensburg wieder eröffnet werden. Das heutige Café mit Konditorei in der Von-der-Tann-Straße gibt es seit 1958 und ist immer noch in Familienhand, mittlerweile in dritter Generation. Heute werden die Pernsteiner-Schokoladen und andere Produkte nicht mehr nur hier, sondern sogar in Läden in ganz Deutschland verkauft.

kulinarische Stadtführung Regensburg

Das Café möchte ich vor allem empfehlen, weil es sozusagen in der Nebenstraße einer Nebenstraße liegt und so unscheinbar und altbacken aussieht, dass man wohl von alleine nie hinein gehen würde. Zu Unrecht – die Pralinen und Kuchen sind großartig und nicht unbedingt teuer. Neben Süßem gibt es auch normales Mittagessen oder Frühstück. Im Sommer gibt es hier auch Eis, am besten im wunderschönen Garten des Cafés. Auch eine tolle Sache: Die Betreiber verstehen ein Café nicht nur als Ort des Schlemmens, sondern als Ort der Kommunikation und der Kultur. Deshalb werden zum einen Bilder ausgestellt, zum anderen gibt es im Sommer eine Veranstaltungsreihe mit Lesungen oder Konzerten. Und da das Pernsteiner neben einer Grundschule und gegenüber eines Gymnasiums liegt, ist dort immer am letzten Schultag des Jahres Ausnahmezustand: Jeder, der irgendwo auf dem Zeugnis, und sei es in Sport oder Kunst, eine eins stehen hat, darf sich kostenlos eine Kugel Eis abholen.

Dank der Tour von eat-the-world habe ich nun nicht nur wieder richtig Lust darauf, meine Heimatstadt neu zu entdecken, sondern auch eine mehr als eine gute Antwort darauf, wo man in Regensburg mal wieder essen gehen könnte. Und ich kann dann sogar ein paar nerdige Geschichts-Infos beisteuern! Die kulinarischen Stadtführungen gibt es übrigens nicht nur in Regensburg, sondern auch in 19 anderen Städten von A wie Augsburg bis S wie Stuttgart. Schau doch mal rein!

Ach ja, falls du eine zweite Meinung möchtest: Ebenfalls mit eat-the-world unterwegs waren Juli von heimatPOTTential in Essen und Sandra von Törtchen und andere Leckereien in Bonn.

Was hältst du von Stadtführungen? Und müsstest du deine Heimatstadt eigentlich auch mal von oben bis unten neu entdecken?

Transparenz-Hinweis: Zu dieser Tour wurde ich von eat-the-world eingeladen. Geld habe ich für den Artikel jedoch keins bekommen – und schreibe selbstverständlich, wie immer, meine ganz eigene Meinung.

8 Gedanken zu “Kulinarisch durch die Regensburger Altstadt”

  1. Hallo Ariane!
    Free Walking Tours habe ich in Asien jede Menge gemacht und finde Stadtführungen seitdem auch verdammt cool! In Seoul wurden wir über einen ganz versteckten Markt geschleift, das war richtig super. Regensburg hört sich auch echt super lecker an 😛 Deine Fotos find ich wieder mal klasse, vor allem das Beitrags- und das Raviolibild!
    Liebe Grüße und noch ein verspätetes frohes neues Jahr,
    Anne

  2. Wie schön, wenn man seine Heimatstadt nochmal mit anderen Augen entdecken kann.
    Und, oh: es gibt sogar zwei Düsseldorf-Touren! 😀 Vielleicht sollte ich da mal schauen, denn so richtig aus kenne ich mich hier noch nicht….

    1. Ja 🙂 Hehe, das wär doch was! Ich wünsch dir viel Spaß, falls du dich für so eine Tour entscheidest 🙂

  3. Danke für diesen schönen Artikel über deine Heimatstadt.
    Ich liebe ja auch diese etwas anderen Stadtführungen. Und ja, man muss nicht immer nur die Touri-Hotspots kennen lernen, manchmal sagen einem die kleinen Ecken viel mehr über eine Stadt.

    Liebe Grüße Kirsten

  4. Genau das, was ich gebraucht habe. Hab mir ein Wohlfühlwochenende in Regensburg gegönnt… demnächst gehts hin. 🙂 Obwohl das weder von meiner Heimatstadt noch von hier weit ist, war ich nur einmal einen Tag dort. Jetzt gebe ich mir mal die volle Ladung Städtetourismus mit Stadtführung und Wurstkuchl 😉
    Und hoffentlich noch mehr 😀

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