Warum ich als Reisebloggerin eigentlich völlig ungeeignet bin

Hast du dich auf einer Reise auch schon mal gefragt: „Warum tu ich mir das eigentlich an?“

Wer individuell verreist, so mit Rucksack und Eigenplanung (oder auch ganz ohne Planung…), der kommt ab und an in Momente, in denen man am liebsten den Rucksack auf den Boden werfen und seinen Kopf gegen die nächste Wand hämmern würde. Zumindest geht es mir so – und das gar nicht so selten.

Zum Beispiel, als mir in Ecuador das Geld ausging und ich bei den Hare Krishna übernachten musste. Als ich viel zu spät nach Aguas Calientes aufbrach und dann im Stockdunkeln durch den Regenwald hastete. Oder als ich kurz vor Berlin mit meinem Pappschild an der absolut unsichtbarsten Autobahnraststätte überhaupt stand und nicht mehr weiter kam. Ja… ich bin ziemlich gut darin, unfreiwillige Abenteuer zu erleben. Nicht unbedingt ein Talent, das ich weiterempfehlen kann.

„Warum tu ich mir das eigentlich an?“ frage ich mich aber manchmal auch in kleinen Momenten: Als ich in Bled fünf Kilometer mit meinem riesigen Rucksack auf dem Rücken zu Fuß lief und später feststellte, dass der Bus ständig kam und kaum etwas kostete, zum Beispiel. Oder als ich in Lissabon ankam, einen Portugiesisch-Blackout hatte, meinen Couchsurfing-Host suchte und mein Handy den Akkutod starb.

Wenn sich solche Momente summieren, komme ich oft zu einer weiteren Frage: „Bin ich überhaupt zum Reisen geeignet?“ Ich muss sie mir selbst jedes Mal mit einem entschiedenen Nein beantworten, und doch plane ich meine nächste Reise, sobald ich zu Hause bin. Umso absurder finde ich es, wenn mir Leute erzählen, wie mutig und toll sie es finden, dass ich an diesem oder jenen Ort war oder dies oder jenes erlebt habe, oder dass sie sich ja selbst nie trauen würden, alleine zu verreisen.

Blogartikel mit Abenteuer-Geschichten klingen immer lustig, schließlich werden sie hinterher verfasst, aus der Perspektive des „Geschafft!“ heraus. Dazwischen ist es oft gar nicht so lustig. Und beim Reisen ist bei mir nie alles rosig, eher im Gegenteil. Deshalb plane ich diesen Artikel schon eine Weile: Ich möchte zeigen, dass das Reisen für mich nicht immer so einfach war, wie es vielleicht auf dem Blog aussieht. Ich möchte dir erzählen, dass ich eigentlich zum Reisen völlig ungeeignet bin.

Und damit möchte ich dir vor allem eine Sache sagen: Wenn ich es schaffe, mehrmals im Jahr unterwegs zu sein und manchmal sogar alleine, dann kannst du das auch. Denn viel doofer als ich kannst du dich dabei eigentlich nicht anstellen.

So, nun aber ein kleiner Trommelwirbel, bevor ich dir meine schlechtesten Seiten verrate: Warum ich zur Reisebloggerin eigentlich völlig ungeeignet bin.

Busse oder Autos sind für mich wie Achterbahnen

Ich habe einen sehr schwachen Magen. Sehr schwach. Schon immer. Auf Straßen mit vielen Kurven wird mir daher immer schlecht. Genauso, wenn viel gebremst und wieder angefahren wird. Oder wenn im Auto oder Bus lange schlechte Luft ist. Oder… Zusammengefasst: Ich habe mich schon aus vielen Busfenstern erbrochen. Schon oft beim Fahrer peinlicherweise eine Tüte verlangen müssen. Und schon oft mit Hand vor dem Mund „Anhalten!“ gebrüllt.

Mittlerweile kenne ich meinen Körper zwar ganz gut und kann zumindest im eigenen Auto sagen, wenn ich kurz aussteigen und frische Luft schnappen muss – so lässt sich das mit dem Erbrechen normalerweise vermeiden. Nur blöd, dass das einerseits im Bus nicht möglich ist und andererseits die Fahrtzeit ziemlich verlängert. Fast jede Fahrt in Wales mussten mein Freund und ich unterbrechen, damit ich kurz aussteigen, mich bei frischer Luft hinsetzen, tief durchatmen und wieder erholen konnte.

Klar, es gibt Tabletten dagegen. Die wirken auch gut, aber die Nebenwirkungen treffen mich oft mit voller Wucht: Ich schlafe, als hätte man mich mit Beruhigungsmittel für drei Elefanten abgeschossen. Und das mehrere Stunden lang. Das ist einerseits gut, wenn man eine lange Nachtbusfahrt vor sich hat, aber andererseits schlecht, wenn man nur zwei oder drei Stunden unterwegs ist und es dann nicht mehr schafft, auszusteigen. Und noch dazu ist es ziemlich peinlich, mit offenem Mund im Bus-Sitz zu hängen…

Die einzige Lösung, die mir bisher bekannt ist: Wenn ich selbst fahre, wird mir nicht schlecht. Nur blöd, dass Autofahren nicht unbedingt zu den Dingen gehört, die ich beherrsche. Freundlich ausgedrückt. (Im Ernst, als ich meinen Führerschein bekam, meinte der Prüfer mit ernster Miene: „Nur, damit Sie es wissen: Ich geb Ihnen den Schein nicht gerne!“) Vor allem auf engen Bergserpentinen würde ich mir daher jeden anderen Fahrer wünschen, nur nicht mich. Aber ich übe, und vielleicht wird das ja eines Tages was mit mir und dem Autofahren 😉

Lustiger- und glücklicherweise habe ich das Problem nur bei Autos und Bussen. Auf Schiffen, egal wie klein und wie hoch der Wellengang, hatte ich bisher noch keine Probleme, und auch fliegen macht mir großen Spaß.

Ich bin dezent paranoid und habe kleine Neurosen

Werde ich nicht von irgendetwas abgelenkt, muss ich auf Reisen etwa im Zweiminutentakt kontrollieren, ob mein Geld, mein Handy und mein Schlüssel noch da sind. Selbst, wenn ich weiß, dass niemand an meiner Tasche gewesen sein kann oder in völlig menschenleerer Natur unterwegs bin, muss ich es noch überprüfen – Rationalität darf nicht mitreden bei meiner Paranoia.

Paranoid, was Diebstahl angeht, bin ich wahrscheinlich erst in Peru geworden. Aber ein bisschen neurotisch, was Geld und Wertsachen angeht, war ich schon immer. Ich tue mich zum Beispiel schwer damit, mehr als ein Konto zu nutzen – aus dem Grund, dass ich nicht gern Geld überweise. Würde ich viel Geld vom einen aufs andere transferieren, würde ich bis zum Zahlungseingang pausenlos daran denken und mir Sorgen machen, dass ich vielleicht die Nummer falsch eingegeben habe… Im Ernst, das wären harte zwei oder drei Tage für mich.

Vor allem, wenn ich alleine verreise, holt mich diese Paranoia ein. Ich habe nämlich zum einen niemanden, der mich ablenkt, und bin zum anderen komplett allein für alles verantwortlich. Also checke ich Geld, Handy und Schlüssel so oft wie möglich – und mein Herz setzt jedes Mal kurz aus, wenn ich das Handy vom angestammten Platz in die Hosentasche verschoben habe, oder Ähnliches.

Minimale Neurosen habe ich auch, was dreckige Dinge angeht. Ich bin nicht sehr sauberkeitsfanatisch, eher im Gegenteil, doch ich mag es nicht, dreckige Dinge anzufassen, ohne mir danach die Hände waschen zu können. Wobei „dreckig“ in meiner Psyche sehr eng gefasst ist – wenn ich beispielsweise etwas in einen Mülleimer geworfen habe (auch, wenn das, was ich weg geworfen habe, sauber war), muss ich mir die Hände waschen. Auf Reisen sind deshalb Feuchttücher und Handdesinfektionsmittel häufige Begleiter. Ich finds selbst bescheuert, aber ändern kann ich es auch nicht…

Ich bin auf ungefähr alles allergisch und habe Plattfüße

In meiner Kindheit hatten wir zu Hause Meerschweinchen. Irgendwann fing ich an, vor allem in deren Nähe zu niesen und bei Fellkontakt kleine rote Pusteln zu entwickeln. Diagnose: Allergie. In den Jahren darauf kam Heuschnupfen dazu, alle möglichen Gräser und Bäume, eine Saison mal schlimmer, eine schwächer. Seit den muffigen feuchten Wohnungen in Peru habe ich noch dazu eine Allergie gegen verschiedene Schimmelpilze. Es ist so viel durcheinander, dass eine Behandlung nicht wirklich möglich ist. Auch Allergietabletten helfen nicht – oder zumindest habe ich noch keine für mich hilfreichen entdecken können.

Was den Heuschnupfen angeht, so fällt dieser auf Reisen oft schwächer aus als in Deutschland – andere Länder, andere Pollen, und Meerluft ist wohl das Allerbeste für meine Lunge. Aber wenn man verschiedene Allergien hat und ab und an neue entwickelt, dann muss man sich darauf gefasst machen, dass immer irgendetwas passieren kann. Normalerweise schränken mich meine Allergien nicht ein – ich schniefe vielleicht etwas oder muss ein wenig niesen.

Aber in Wales hatte ich eine krasse Erfahrung: Ich lief am Blue Lake durch den verlassenen Minenschacht, kam wieder heraus – und bekam auf einmal nur noch ganz schwer Luft. Und das Schlimmste daran, schlecht Luft zu bekommen, ist eigentlich die Panik, die einen überkommt. Nach ungefähr zehn Minuten ging es mir zum Glück wieder besser, aber wirklich genießen konnte ich den Aufenthalt am See nicht.

Etwas Gutes hatte die Erfahrung in Wales: Danach bin ich über meinen Schatten gesprungen und habe mir vom Arzt ein Spray verschreiben lassen, das ich auf jede Reise mitnehmen werde. Jetzt komme ich mir zwar ziemlich nerdig vor, aber wenigstens weiß ich, dass ich etwas habe, das meine Atemwege wieder frei macht. Das reduziert dann auch die Panik, sollte mal wieder so etwas passieren…

Ach ja, und Plattfüße habe ich. Was klingt wie ein schlechter Scherz, ist eine echte medizinische Fehlstellung, die dazu führt, dass ich nach langen Wanderungen oder fuß-intensiven Sporteinheiten oft Schmerzen bekomme. Was dagegen hilft, sind Einlagen für die Schuhe, von denen ich allerdings Blasen bekomme. Ein Dilemma – ich löse es so, dass ich nach der Hälfte einer langen Wanderung die Einlagen wechsle und mich dabei immer fühle, als wäre ich einhundertfünf 😉

Besonders schön, wenn man beim Einlagenwechseln noch fotografiert wird 🙂

Und warum bin ich trotzdem unterwegs?

Ganz einfach: Weil alle Bücher, Reiseberichte und Dokumentationen dieser Welt mir nicht reichen würden 🙂 Ich will wissen, wie es woanders aussieht, wie es dort riecht, und vor allem, wie die Menschen dort so ticken. Ich will jemanden vor Ort „Warum?“ fragen können und die Antworten aufsaugen. Ich will meinen Horizont erweitern und jedes meiner Vorurteile zerplatzen lassen.

Und ja, dafür würde ich ziemlich viele Hindernisse in Kauf nehmen! Flaue Gefühle in der Magengrube, neurotisches In-die-Tasche-Fassen und schmerzende Füße, zum Beispiel. Denn all das ist nichts gegen das „Ach, hätte ich doch…“ einer verpassten Gelegenheit. Zu Hause bleiben ist ganz einfach keine Option!

Mit diesem Artikel will ich nicht jammern, ganz im Gegenteil – ich will etwas Wichtiges loswerden: Manche von uns haben etwas, was sie tatsächlich zurückhält. Und wir alle haben etwas, von dem wir denken, dass es uns zurückhält. Wir verirren uns in Sorgen und in Was-wäre-wenns, anstatt einfach loszulaufen und zu gucken, was passiert. Für die meisten Probleme gibt es eine Lösung und viele Gefahren existieren nur in unseren Köpfen. Schließlich kommt eh alles anders als man denkt – und deine schlimmsten Eigenschaften wirst du wahrscheinlich auf Reisen kennen lernen… Wie ich mit meiner bemerkenswerten Fähigkeit, unsinnige ungewollte Abenteuer anzulocken 😉

Aber genauso wirst du auch deine besten Eigenschaften, deine Fähigkeiten und Stärken herausfinden und unter Beweis stellen können – und immer eine Lösung für deine Probleme finden. Und letztendlich wirst du bemerken, dass alles, von dem du dachtest, dass es dich zurückhalten würde, alles, über das du dir je Sorgen gemacht hast, plötzlich aus deinen Gedanken verschwunden ist – beim wunderbarsten Sonnenuntergang über Palmen, zum Beispiel, oder beim Ausblick nach der anstrengenden Wanderung.

Reisen ist nicht nur lernen, sondern auch über sich hinauswachsen. Und deshalb werde ich immer weiter machen, trotz all der oben genannten Dinge. Egal, was mir Probleme bereitet oder wo ich mich besonders doof anstelle – ich weiß, dass ich alles regeln kann. Und zum Schluss kann ich umso stolzer sein, wenn ich wieder zu Hause bin!

Was bereitet dir unterwegs Schwierigkeiten? Was hält dich vielleicht sogar vom Reisen ab?

13 Gedanken zu “Warum ich als Reisebloggerin eigentlich völlig ungeeignet bin”

  1. Hallo Ariane,
    du spricht mir total aus der Seele. Zwar habe ich keine seine Beschwerden aber den ersten Absatz unterstreiche ich blind. Ich Geräte auch ständig in Situationen, die mich für den Moment ganz schön ins Schwitzen bringen. Vor zwei Tagen bin ich ohne Geld mit meinen Sohn an die laotische Grenze, es war der letzte Visatag in Thailand und der ATM hat meine Ec- Karte nicht akzeptiert. Nachdem ich dem Grenzbeamten mein missliche Lage erklärt habe, hat der die Kosten für ein Motorradtaxi für uns unternommen, welches uns bis zu einem kompatiblen ATM gefahren hat und wieder zurück zur Grenze. Alles gut gegangen. Oder als ich ohne Sitzplatz mit Kind im Localtrain von Peking nach Shanghai gelandet bin und dieser dann 20 Stunden dauerte oder eine Nachtfahrt im Bus nach Manila ebenfalls mit Kind und keine Geld, weil der ATM in Banaue bereits geleert war. Ich könnte noch hunderte solcher Geschichten auspacken und gemeinsam könnten wir vermutlich eine Enzyklopädie der Schlamassel füllen. Am Ende sind es aber auch wie bei dir genau die Anekdoten, die unsere Reiseerfahrungen so besonders und irgendwie anders machen. Lebe weiter deinen Traum

    1. Oh je! Mit Kind stelle ich mir das nochmal tausendmal stressiger vor, ich bin zum Glück nur für mich selbst verantwortlich… Hut ab, dass du das machst und blöde Situationen meisterst!
      Ich bin übrigens auch mal mit einem Mototaxi über Schleichwege über eine Grenze gefahren 😉 Weil mein Mitreisender sein Portemonnaie inklusive Ausweis verloren hatte und wir nicht mehr nach Peru einreisen konnten, sind wir dann auch per Mototaxi zu einer Grenzstation, inklusive Überquerung eines kleinen Bachs auf einem lockeren Holzbrett. Der Fahrer hat uns sogar noch geraten, mit wie viel wir die Beamten bestechen müssen. Verrückte Geschichte, hatte ich schon fast verdrängt 😉

      Das stimmt, ohne solche blöde Situationen hätte man ja gar nichts mehr zu erzählen!

  2. Das liest sich ja total sympathisch! Ist es nicht so, dass jeder von uns den ein oder anderen Spleen, ein Handicap, eine Neurose oder sonst etwas hat? Warum auch nicht!? So sind wir nun mal. Wäre ja langweilig, wenn die Welt als lauter aalglatten Alleskönnern bestünde : ) Sonnige Grüße, Jutta

  3. Haha super gut zu lesen. Ich denke es mir auch jedes mal. Ich mecker vorallem so gerne, dh nicht das ich alles doof finde, aber man wird ja wohl noch Mängel feststellen dürfen 😀 manchmal mecker ich dann auch über Facebook und dann hat man immer alte Reisehasen, die einem erzählen wollen man solle das mit dem Reisen ganz lassen. Ich finde reisen aber viel zu toll, um es sein zu lassen 🙂

  4. Hallo Ariane,
    puuh, das macht total froh, deine bunten Texte hier. ich bin umgeben von menschen aus anderen kulturen und höre mir ihre geschichten an. deine lesen sich einfach aufregend und der film beginnt schon beim ersten wort. ich selber war nur ein paarmal in südamerika, meine tochter ist in genau deinem alter und auch sehr reisefreudig. ich werde sie mal auf deinen blog hinweisen. wo soll es denn demnächst hingehen, gibt es schon ideen? ich packe für griechenland, inselhopping mit älteren damen.
    alles gute und ein shangrila aus göttingen
    wolfgang

  5. Was für ein herrlich sympathischer, lustig geschriebener Seelenstriptease. Gott, was müsste ich beim lesen grinsen. Hurra, ich bin nicht die einzige auf der Welt mit teilweise irrationalen Macken.
    Vielen Dank für die beruhigenden Worte und liebe Grüße
    Heike

  6. Was für ein schön geschriebener, sympathischer Artikel. An einigen Stellen habe ich mich echt wieder erkannt. Ich checke unterwegs auch ständig meine Sachen. Handy, Geldbörse usw. Bin da auch sehr paranoid. Am wohlsten fühle ich mich, wenn ich die Sachen irgendwo im Safe verstaut habe und gar nicht mitnehmen muss. Allerdings bin ich dann wieder in Sorge, ich würde den Pin für den Safe vergessen und nicht mehr an meine Sachen kommen. Es ist echt verrückt. 🙂

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