Gute Gründe für Hannover

Gründe dafür, an ein bestimmtes Ziel zu reisen, gibt es viele. Ein spontan gebuchtes Sonderangebot, der Besuch einer Freundin im Auslandssemester, ein lang gehegter Traum, die Möglichkeit, eine Sprache zu trainieren… Manchmal sind die Gründe auch weniger erzählenswert – zum Beispiel, wenn man sich den Träumen des Reisepartners oder dem Budget fügen und mit einer ungebliebten Alternative Vorlieb nehmen muss. Ich habe viele Reise-Lebensträume, suche mir meine Ziele aber auch oft aus Gründen aus, über die ich mich hinterher selbst wundern muss.

Als ich von Sandra die Einladung zum #djhrockt bekam, wollte ich irgendwo auf der langen Strecke zwischen Jena und der Nordsee einen Stopp einlegen und entschied mich für Hannover. Warum? Weil mein Vater dort studiert hat – und Hannover stets als die furchtbarste und hässlichste Stadt beschreibt, in der er jemals gewesen ist. Das musste ich mir schließlich einmal mit eigenen Augen ansehen. Eine Nacht nur – mal sehen, ob ich da die schönen und die hässlichen Seiten zu Gesicht bekommen würde.

Eine Ankunft in einer tatsächlichen Stadt ist immer ein kleiner Schock, wenn man aus dem gemütlichen Jena kommt. Auf einmal fahren wirklich Autos, und zwar viele, und hallo, es gibt wirklich eine große und belebte Innenstadt! Nach einem kleinen Rundgang mache ich mich auf zu den Herrenhäuser Gärten. Es ist kalt und windig, nicht unbedingt das schönste Wetter für einen Parkbesuch, aber bei nur einer Nacht Aufenthalt kann man sich so etwas nun einmal nicht aussuchen. Also losgestiefelt – zwischendurch komme ich sogar an der Universität vorbei, die mir groß und vor allem mehr als herrschaftlich vorkommt. Ich selbst habe mir früher unter dem Begriff Universität immer so ein Gebäude vorgestellt, mit Statue davor und herbstlich eingefärbten Bäumen rundherum, mit hohen Hallen und spannender Architektur. Jetzt sitze ich in Jena in Gebäuden, die zwar alt sind, aber nicht auf die schöne Art, und sich architektonisch oft irgendwo zwischen DDR und Arbeitsamtflur befinden. Doch das Äußerliche sagt natürlich nicht viel aus und wer weiß, ob man sich nach zwei oder drei Jahren Studium noch begeistert im Hörsaal umsieht.

Auch der Weg zu den Herrenhäuser Gärten führt durch einen großen Park, der rückblickend zwar weniger angelegt, aber dafür fast schöner als die Schlossgärten ist. Den Mittelpunkt bildet eine perfekt symmetrische Allee, an deren Ende man das Schloss erkennen kann. Mächtige alte Bäume lassen ihre Blätter im Wind rascheln, die Zweige riesiger Weiden hängen sich wie Vorhänge vor das Ufer eines kleinen Flusses, über den eine kleine Brücke führt. Selbst bei diesem Wetter, wo ich den Schal immer fester um den Hals schlinge und die Hände tief in den Jackentaschen vergrabe, würde ich am liebsten ewig bleiben. So viele Fotomotive, so viel Ruhe. Entfernt man sich von der Allee und folgt kleineren Wegen, wird der Park fast zu einem kleinen Wald, so beeindruckend und wild sind die Bäume. Doch es wird langsam dunkel und ich bin noch nicht mal an meinem eigentlichen Ziel angekommen. Vor den Herrenhäuser Gärten wird aus dem Fluss ein schnurgerader Kanal. Noch vor dem Eingang steht die älteste Kübelpflanze des Parks, ein Granatapfelbaum aus dem Jahr 1653, dessen Stamm so breit und vor allem knorrig ist, dass man sich fragt, wie er oben überhaupt noch grüne Blätter tragen kann.

Ich habe nicht so viel Zeit für die Gärten und das ist schade, vor allem, weil ich mehrere Euro Eintritt bezahlen muss. Ein Plan verrät mir, was es alles gibt, und ich versuche, das Labyrinth zu finden. Irgendwann muss ich aufgeben – nun ja, so groß und beeindruckend kann es nicht gewesen sein. Stattdessen lasse ich mich einfach treiben und laufe der Nase nach. Die verschiedenen Fontänen und Wasserspiele hören zum Glück bald auf, schließlich habe ich dank des starken Windes ständig Tropfen im Gesicht und auf der Kameralinse. Überall steht irgendwas Dekoratives und jeder Blick um die nächste Ecke eröffnet eine neue Überraschung: Pavillons, Statuen, plötzlich ein kleines Amphitheater. Ich fühle mich an Versailles erinnert und finde es fast ein wenig merkwürdig, dass ein Schloss mit solchen Gärten mehr oder weniger mitten in Hannover steht. Was soll ich davon halten? Schick oder großkotzig? Auf jeden Fall passt es nicht unbedingt in mein Bild von dieser Stadt, so hatte ich Hannover nicht erwartet.

Auf der anderen Straßenseite liegt der zweite Teil der Herrenhäuser Gärten, der Berggarten. Wer sich nicht davon abschrecken lässt, dass dieser direkt neben Sea Life liegt, wird mit einem wunderschönen botanischen Garten belohnt. Einst zur Gemüsezucht aufgebaut, beherbergt er heute Palmen, Kakteen und mehr. Der Garten ist in verschiedene Themenzonen und Schauhäuser aufgeteilt und beinhaltet die größte Orchideensammlung in ganz Europa. Besonders überrascht hat mich hier die moderne Beschilderung. Aus dem botanischen Garten in Jena kenne ich es, dass Pflanzen entweder gar nicht oder nur auf einer vergilbten uralten Tafel mit lateinischem Namen ausgeschildert sind, in Hannover gibt es farbige Schautafeln und Erklärungen inklusive Bildern.

Später, zurück in der Innenstadt, kommt tatsächlich noch die Sonne raus. Ich laufe vorbei an den dicken Damen von Niki de Saint Phalle neben der Leine und durch kleine Altstadtgassen. Abends lasse ich es mir im Mercure Hotel Hannover* gut gehen, wo ich nicht nur mit einem schönen Zimmer, sondern sogar mit Obst und Pralinen begrüßt werde. Ich frage mich ja manchmal, wie andere Reisebloggerinnen und Reiseblogger das so machen: Vor meiner Reise habe ich ein wenig überlegt, welches Gepäckstück ich mitnehmen sollte, und mein großer Backpacker-Rucksack blieb letztendlich die einzige Alternative, denn einen kleinen Koffer besitze ich nicht. Als ich vor dem Mercure Hotel stand, bereute ich das jedoch ganz schön – so ein schickes Hotel, sauber, ordentlich, standardisiert, und davor ich in Outdoor-Jacke und mit meinem abgewrackten Rucksack, der so gar nicht hineinpasst. Beim freundlichen Gespräch mit der Frau an der Rezeption verflogen jedoch alle Zweifel und Minderwertigkeitskomplexe und im Zimmer angekommen fühlte ich mich wie eine kleine Königin – so ein großes Bett, für mich allein, sauber und modern und lauter kleine Überraschungen. Geschlafen habe ich wie ein Stein und spätestens beim Frühstück habe ich es dann bereut, nur eine Nacht zu bleiben. Daran könnte ich mich absolut gewöhnen!

Am nächsten Morgen habe ich eigentlich noch vor, mir den Rest der Innenstadt und den Maschsee anzusehen, aber all das schaffe ich letztendlich nicht mehr vor der Weiterfahrt. So viel Hässliches hab ich nicht finden können in Hannover, stattdessen ganz viel grün. Die schönen Gärten werde ich bestimmt in Erinnerung behalten. Als Zwischenstop lohnt sich die Stadt ganz definitiv!

Mehr zu Hannover gibts übrigens auf Smaracuja und Planet Hibbel!

Hast du manchmal auch komische Gründe, eine Stadt zu besuchen?

* Vielen Dank für die Möglichkeit einer kostenlosen Übernachtung an das Mercure Hotel Oldenburger Allee!

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