Bembos Cusco

Zehnmal Kurioses aus Peru

Da sitze ich auf lauter Fotos und Erfahrungen aus Wales und nun auch noch von der Nordsee, die geteilt werden wollen – und schreibe einen Artikel über Peru. Nun gut, manchmal muss man einfach das tun, worauf man gerade Lust hat, oder?! Nachdem ich den wunderbaren Artikel „Kurioses aus Asien“ im Weltenbummler Mag gelesen habe, kam mir die Idee, ein paar kuriose Erinnerungen an Peru zusammenzustellen, und kaum hatte ich die Idee, fing ich auch schon an zu schreiben. Über vieles, was du hier nun lesen kannst, habe ich in früheren Artikeln bereits berichtet – aber ich dachte mir, es wäre schön, nochmal ein paar sympathische Schrägheiten zusammenzufassen, die mich zu Reaktionen irgendwo zwischen Kopfschütteln, lachen und weinen gebracht haben. Mehr Hintergründe zur peruanischen Kultur findest du übrigens im „Land und Leute“-Teil meines Travelguides.

1. Alles schläft, und eine wacht

Die meisten Peruaner können immer und überall schlafen. Und nutzen das auch aus. Es passiert nicht selten, dass man zur Mittagszeit Bauarbeiter sieht, die im Mittelstreifen einer stark befahrenen Straße nebeneinander auf dem Rücken liegen, Helm über dem Gesicht, und schlafen. Oder dass man in kleinen Läden erst einmal sehr laut „Guten Tag“ sagen muss, damit der Verkäufer aufwacht und einen bedient. Am deutlichsten wurde es mir jedoch bei Busfahrten. Alles schläft und eine wacht, war hier das Motto – denn für mich ist schlafen im Bus einfach unmöglich. Da beneide ich die Peruaner doch sehr!

2. Inca Kola

Peru ist eines der wenigen Länder auf der Welt, in denen Coca Cola nicht das beliebteste Softgetränk ist. Warum? Na, weil es etwas viel Besseres gibt: Inca Kola. Das knallgelbe Getränk schmeckt wie Gummibärchen und Kaugummi und ist so süß, dass einem die Zähne zusammenkleben. Und es macht definitiv süchtig: Selbst wer anfangs nach einem Schluck kapituliert, weil er mehr Zucker und Chemie auf einmal nicht herunterbekommt, wird Inca Kola irgendwann lieben. Hauptsache, sie ist schön eiskalt! Ach ja: Inca Kola ist übrigens noch immer im Familienbesitz, was viele nicht wissen. Coca Cola hat zwar inzwischen Teile davon gekauft, jedoch nur 49% – die Mehrheit der Anteile des Konzerns sind also noch in peruanischer Hand. Wer auf einem Markt eine Inca Kola kauft, braucht sich übrigens nicht wundern, wenn er sein Getränk in einer Plastiktüte serviert bekommt. Die Händler können die leeren Flaschen weiter verkaufen, deshalb gibt es keine andere Mitnahme-Möglichkeit. Wie man das dann trinkt? Gute Frage – entweder, man steckt einen Strohhalm hinein und bindet einen Knoten drum herum (was allerdings definitiv etwas Übung benötigt – und durch die gelbe Farbe ein bisschen aussieht, als würde man seinen eigenen Urin zu sich führen), oder man trägt die Tüte bis nach Hause und schüttet sie vorsichtig in ein Glas um.

3. Peruanischer Pragmatismus

Viele Peruaner sind gezwungenermaßen pragmatisch. Was soll man auch tun, wenn das Geld für die nötigsten Dinge fehlt? Die Windschutzscheibe ist kaputt? Klebeband hilft! Und warum die Hinterseite des Hauses verputzen und streichen, wenn man von der Straße aus doch nur eine Seite sieht?! Doch der peruanische Pragmatismus hat sich längst auf andere Bereiche ausgeweitet. Rechtschreibung zum Beispiel. Hier gilt die Devise: Solange es verständlich ist, ist es okay. So ist es völlig irrelevant, ob die Nationalspeise Ceviche oder Cebiche geschrieben wird, spricht man ja im Spanischen sowieso beides gleich aus. Und „plis“ ist doch sowieso viel sinnvoller und kürzer als „please“. Das wird gerne auch mit Namen gemacht – wie Jhon, Pol oder Leidhy. Mehr dazu in meinem Artikel über Namen in Peru.

4. Michael Jackson

Ich weiß wirklich nicht, warum, aber Peru ist irgendwie verrückt nach Michael Jackson – oder zumindest nach seinem Tanzstil. Im Centro von Lima finden sich nachts alle paar Meter Imitatoren, die als Jackson verkleidet zu Background-Musik tanzen und ihren Moonwalk unter Beweis stellen. Und wen ich „alle paar Meter“ schreibe, dann ist das nicht übertrieben. Den ganzen Jirón de la Unión entlang hört man, wenn man dem einen Michael zuschaut, schon das „Black or White“ vom nächsten. Doch nicht nur hier findet man Michael Jackson: Ich habe einmal einen alten Mann gesehen, der minutenlang mitten auf dem belebten Bürgersteig fleißig zu „Billy Jean“ getanzt hat – einfach so, ohne dafür Geld zu sammeln. Ein Video habe ich als Beweis. Einer der Momente aus Lima, von dem ich am liebsten erzähle, weil er so herrlich sympathisch-schräg ist, wie die Stadt selbst auch.

5. Der Amazonas-Büchermarkt

Um den Jirón Amazonas im Centro von Lima herum gibt es einen großen Büchermarkt. Was daran so besonders ist? Zum ersten werden dort hauptsächlich raubkopierte Bücher verkauft. Ja, tatsächlich, raubkopierte Bücher. Achtzig Prozent der Bücher, die in Peru verkauft werden, sind keine Originale. Weil normale Bücher für die meisten Peruaner viel zu teuer sind, sind die illegalen Kopien für sie die einzige Möglichkeit, an Lesestoff zu kommen. Außerdem können viele Eltern nur so die Schulbücher ihrer Kinder bezahlen. Da durch die Raubkopien ein riesiger Markt entstanden ist, von dem viele Menschen leben, wird von offizieller Seite nichts dagegen getan – auch, wenn sich Verleger und Schriftsteller die Haare darüber raufen. Auf Arte gab es einmal eine spannende Reportage dazu. Und zum anderen werden auf Bücher-Märkten immer auch Modelle und Plakate verkauft – für faule Schulkinder, die ihre Hausaufgaben nicht selber machen wollen…

6. Prä-Inka-Ruinen? Na und?

Über Köln gibt es den Spruch: „Warum gibt es dort keine U-Bahn? Weil die Museen schon voll sind!“ Über Lima könnte man das Gleiche sagen. In Peru haben sich vor den Inka so viele verschiedene Kulturen getummelt, dass man eigentlich überall etwas Historisches findet. Und während Inka-Ruinen und -Fundstücke allen große Begeisterung entlocken, leiden die Prä-Inka-Kulturen und ihre Überreste unter absolutem Desinteresse. Überall in Lima stehen Huacas, Überreste alter Pyramiden, herum – und nur wenige von ihnen werden erforscht, geschweige denn instand gehalten. Das Schöne daran: Auf die meisten kann man einfach klettern, ohne Eintritt zahlen zu müssen, zum Beispiel auf die Huaca San Marcos, von der man einen tollen Blick über den Campus der gleichnamigen Universität hat. Eine Freundin von mir stellte irgendwann fest, dass der große Staubhaufen hinter ihrem Haus eine Prä-Inka-Pyramide war. „Achja! Da bin ich als Kind immer mit dem Fahrrad runter gefahren!“, meinte eine Kollegin daraufhin. Besonders deutlich wird das peruanische Desinteresse an Prä-Inka-Ruinen am Beispiel der Entdeckung der Ruinenstadt Caral: Die Einwohner der umliegenden Dörfer kannten die Ruinen selbstverständlich. Aber niemand hat sich groß dafür interessiert – war ja nur Prä-Inka, das kannte man ja schon, das gab es ja überall. Irgendwann haben Archäologen dann festgestellt, dass Caral nicht aus der Prä-Inka-Zeit stammt, sondern viel viel älter ist. Als sich herausstellte, dass man hier die erste Stadtsiedlung auf dem amerikanischen Doppelkontinent gefunden hatte, fing man natürlich ganz fix an, alles auszugraben. Aufgrund des späten „Entdeckungs“-Datums sind heute aber noch nicht alle Teile der Ruinen freigelegt.

7. Tschüss, Sonne!

Lima ist im Winter in tiefen Nebel getaucht. Klingt übertrieben, ist aber so. Im April kann man sich von der Sonne langsam verabschieden – und braucht nicht damit zu rechnen, sie vor Oktober wieder zu sehen. Das ist ziemlich fies für alle, die dort leben, denn zum einen ist konstanter Nieselregen bei etwa 15 Grad kein angenehmes Wetter, und zum anderen sehen viele Teile von Lima bei Nebel einfach nur grau, traurig und allgemein fürchterlich aus. Die Spanier sind wohl im Sommer in Lima eingetroffen und haben beschlossen, hier ihre Hauptstadt aufzubauen – anders lässt sich die meteorologisch selten blöde Lage von Lima kaum erklären. Das Positive daran ist die grüne Küste Limas, die durch die Feuchtigkeit des Meeres „gegossen“ wird und keine zusätzliche Bewässerung braucht.

8. Gesundheitswahn

Auf der ganzen Welt haben die Menschen den Wunsch nach einem gesünderen Lebensstil. Nur eben teils mit sehr unterschiedlichen Ideen, wie sich dieser umsetzen lässt. In Peru werden heute zum Beispiel viele alte Getreide- und Gemüsesorten wiederentdeckt. Das leckere Quinoa hat ja inzwischen auch schon Eingang in deutsche Reformhäuser und Foodblogs gefunden. Doch viele Auswüchse des Gesundheitswahns sind schon ein bisschen komisch – zum Beispiel, wenn für weiche Haut auf einmal Schneckenschleim empfohlen wird…

9. Quien no tiene de Inca…

… tiene de Mandinga, so ein peruanisches Sprichwort. Heißt so viel wie: Wer nicht von den Inka abstammt, der stammt von den afrikanischen Sklaven ab, oder auch: Jeder in Peru hat indigene oder afrikanische Vorfahren, oder sogar beides. Bevor ich nach Peru kam, war mir gar nicht klar, dass der Einfluss ehemaliger afrikanischer Sklaven an der Küste so groß ist. Viele Instrumente stammen von ihnen – da die Sklaven selbst keine Musik machen durften, mussten sie Instrumente bauen, die nicht wie solche aussahen. So entstand das Cajón, das nach außen wie ein Hocker oder eine einfache Holzkiste wirkt. Auch sehr viele Gerichte, die man an der Küste häufig ist, sind afroperuanischen Ursprungs, viele Süßspeisen und vor allem fast alles mit Innereien. Die Sklaven konnten oftmals nur mit den Abfällen ihrer Herren kochen, so entstanden kreative Gerichte mit allen möglichen Tierteilen. Ein populäres Beispiel sind Anticuchos, phänomenal leckere Rinderherzspieße, die in Lima draußen gegrillt werden und ganze Straßen mit Grillduft erfüllen. Das Zentrum afroperuanischer Kultur befindet sich in Chincha Alta in der Region Ica südlich von Lima. Chincha Alta ist übrigens auch dafür bekannt, dass man dort Katzen isst. Zu deren Geschmack kann ich jedoch nichts sagen – als ich vor Ort war, hätte ich 48 Stunden auf meine Katze warten müssen, man musste erst noch eine fangen… Das war mir die Erfahrung dann irgendwie doch nicht wert.

10. Bembos

Wie Inca Kola das peruanische Coca Cola ist, ist Bembos das peruanische McDonald’s. 1988 gegründet, brachte Bembos Fast Food nach Peru, als Ketten wie McDonald’s oder Burger King noch kein Interesse an dem Land hatten. Die Beliebtheit von Bembos hat jedoch auch angehalten, nachdem internationale Ketten ins Land kamen. Das mag daran liegen, dass es zwar ähnliche Menüs gibt wie bei McDonald’s und Konsorten, diese aber mit peruanischen Variationen. Burger kommen dann zum Beispiel auf Wahl mit Yuca statt Pommes als Beilage, oder „a lo pobre“, also mit Banane und Ei. Solltest du mal in Lima sein, kauf dir einen leckeren Burger zu deiner Inca Kola und tunk deine Pommes in Ají, Chilisauce – peruanisches Fast Food at its best.

Warst du schon einmal in Peru – und sind dir die Sachen ebenfalls begegnet? Und was kannst du Kurioses aus anderen Ländern berichten?

17 Gedanken zu “Zehnmal Kurioses aus Peru”

  1. Super Artikel!!! Sehr skurril fand ich wie Peruaner ihren Kaffee trinken. Als ich das erste Mal einen Kaffee in Peru bestellt habe, bekam ich ein Glas mit heißer Milch und eine Art Kaffeesirup, den man sich selber unterrührt.Der Geschmack war schon sehr speziell, da half nur noch viel Zucker.

    1. Ohje! Da ich selbst keinen Kaffee trinke, hab ich das nur vom Hörensagen mitbekommen. Aber das ist ja in ganz Lateinamerika abstrus: In den Ländern wird Kaffee angebaut – und dennoch nur Fertig-Nescafé und Ähnliches getrunken…

  2. super cooler artikel 🙂 das mit den namen dürfte ähnliche sein wie in panama. eine freundin von mir hat während der schulzeit ein jahr dort verbracht und dann auch von maikel und anderen interessanten schreibweisen erzählt 🙂

  3. Toller Post! 🙂 Ich war leider noch nie in Südamerika, aber je öfter ich bei dir etwas über Peru lese, desto dringender wird mein Bedürfnis, das zu ändern 🙂 Über Asien kann ich leider nicht so viel Kurioses sagen, da ich dort nur sieben Wochen war. Aber vielleicht schreib' ich mal wieder was über Neuseeland.

    Liebe Grüße
    Petra

  4. Cool =D Ja Inca Kola lernt man irgendwann zu lieben und das mit den Namen und allgemein der Rechtschreibung ist überall ein Desaster, egal wo man in Lateinamerika ist xD
    Eigentlich schade, dass die prae-inca Kulturen so wenig Stellenwert und Interesse erwecken. Ist mir aufgefallen als ich im Norden war, da waren bei den Ruinen/Museen hauptsächlich Peruaner unterwegs und ich war die einzige Ausländerin, alles will nach Maccu Pichu und übersieht dabei leider die Schönheit anderer Orte,….
    Saludos
    María

    1. Hehe, gut, dass das mit der Inca Kola nicht nur mir so geht 😉 Das stimmt! Für mich ist das irgendwie alles das Gleiche – ob jetzt Inka oder Prä-Inka, Ruine ist Ruine! Ich finds ganz schön absurd, dass da so ein Unterschied gemacht wird.

  5. Ich musste sehr viel schmunzeln während der Lektüre 😉 In Istanbul gibt es auch die sogenannten Nebelmonate, in denen man noch nichtmal die nächste Straßenlaterne sieht. November und Dezember sind aber eher die Regenzeiten und der Nebel kommt im Februar und März…

    Ich wollte noch darauf hinweisen, dass das Video, was du eingefügt hast, in Deutschland leider wegen GEMA nicht verfügbar ist, zumindest wird mir das angezeigt :/

    Liebe Grüße,
    Malika

    1. Ohje 😀 Das kann einem schon wirklich zusetzen, so lange Zeit ohne Sonne und nur grau…

      Das mit dem Video ist ja seltsam, bei mir wird es ohne Probleme angezeigt und ich bin ja auch in Deutschland?! Komisch.

  6. Inca Kola oder doch eher Peru-Red Bull 😀

    Oh haha…da sind die Bauarbeiter ja gut trainiert. Also ich brauche mein Bett. Mit so kurz mal schlafen kann ich ja nicht 🙂

    Ich finde es toll das viele Länder sich ihrer alten Kultursorten wieder besinnen! Ich denke das Soja und amerikanischer Mais nicht immer die beste Wahl ist.

    Danke für die vielen Informationen!! 🙂

    Liebe Grüße,
    Martin

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