Konzert Neuharligersiel

Wenn die Musik dich mitreißt

Kannst du dich noch an die Zeit erinnern, als Musik einfach alles war? Als die Zimmerwände mit Postern der Lieblings-Stars dekoriert wurden und die Entscheidung über Freundschaft oder nicht hauptsächlich vom Musikgeschmack des anderen abhing? Als die Trennung einer Band den persönlichen Weltuntergang bedeutete – und Probleme grundsätzlich durch Musik auf voller Lautstärke gelöst werden konnten? Bei mir ist das schon ein Weilchen her, und die Bedeutung von Musik hat in meinem Leben seitdem kontinuierlich abgenommen. Natürlich höre ich noch Musik, wer tut das nicht, ich höre sie auf langen Bahnfahrten genauso wie zu Hause beim Arbeiten. Doch während ich früher sämtliche Bandmitglieder mit Vor- und Nachnamen, Geburtsdatum und Familienstand aufzählen konnte, kann ich mich heute kaum noch an den jeweiligen Bandnamen erinnern.Ich habe ein paar Lieder auf dem Laptop, die ich gerne höre, und wenn mir nach Abwechslung ist, höre ich das, was Spotify zu „Folk und Indie“ ausspuckt. Selten passiert es mir, dass mir eine Band oder ein Sänger so gut gefällt, dass ich mir direkt ein ganzes Album anhöre. CDs gekauft oder auch nur für Downloads bezahlt habe ich seit Jahren nicht mehr. Musik ist von einer Leidenschaft zu einem Nebenher geworden, von etwas, für das ich mich begeistere zu etwas, das mich ein bisschen ablenkt.

Die beiden Bilder stammen nicht von mir, sondern vom offiziellen Konzertfotografen Björn Reschabek – danke, dass ich sie für diesen Artikel verwenden darf!

Als ich im Vorfeld des #djhrockt-Blogger-Events darum gebeten wurde, drei Lieder einzusenden, die in meinem Leben eine große Rolle spielen, war ich daher erst einmal ein bisschen überfordert. Musik und eine große Rolle in meinem Leben? Musik ist nett – aber mehr?! Doch als ich anfing, mich zu erinnern, passierte es: Ein Lied nach dem anderen kam mir in den Sinn, Lieder, die mich glücklich oder traurig machen, Lieder, die ich früher gerne gehört habe, Lieder, die ich schon fast vergessen hatte, Lieder, die für mich untrennbar mit bestimmten Personen verbunden sind, und vor allem: Lieder, die aus verschiedenen Phasen meines Lebens einfach nicht mehr wegzudenken sind. Je mehr ich darüber nachdachte, desto deutlicher wurde mir, dass ich sogar zu vielen Liedern, die mir so nicht als wichtig in den Sinn kommen würden, Assoziationen habe. Mit Liedern verbindet man etwas, egal, ob sie einem gefallen oder nicht. Musik versetzt einen ganz direkt zurück in vergangene Jahre. Musik berührt, Musik erinnert, manchmal besser als Worte oder Bilder.

Das Blogger-Wochenende erinnert mich schließlich auch daran, wie viel Spaß Musik machen kann. Ich bin nicht unbedingt unmusikalisch, bin aber stets daran gescheitert, dass Instrumente Übung benötigen. Für mich muss etwas immer sofort klappen, zumindest halbwegs und verbesserungswürdig, aber doch, klappen muss es direkt. Langes Üben oder Herumtüfteln ist nichts für mich, noch weniger, wenn ich monoton immer das selbe wiederholen muss, um mich zu verbessern. Klavierspielen als Kind klappte da noch halbwegs, aber vor komplizierten Gitarrensolos musste ich später kapitulieren. Schon lange habe ich nicht mehr an einem Instrument gesessen. Beim #djhrockt saß ich dann sogar auf einem. Im Kreis kippelte jede Teilnehmerin mit einem Cajón, und nach zwei Sätzen Einführung wurde losgetrommelt. Und – es klang großartig! So leicht kann Musik machen also sein, und so ungezwungen. Noch dazu bringt auch der Cajón-Klang für mich Erinnerungen mit sich, denn das Cajón ist das wichtigste Instrument der peruanischen Küstenregion. Warum es aussieht wie eine Kiste? Die afrikanischen Sklaven, die nach Peru gebracht wurden, durften keine Instrumente besitzen, wollten aber trotzdem Musik machen. So mussten sie sich Geräte ausdenken, die zwar Klang erzeugten, aber auf den ersten Blick nicht wirkten wie ein Instrument.

Danke an Sandra für das Foto! Von links nach rechts sind das übrigens am Rand Antje und Steffi und ganz drauf Katja, Janett, Cora, ich und Ines.

Eine dritte Erkenntnis brachten die Konzerte an den Abenden des #djhrockt mit sich: Live-Musik wird einfach durch nichts getoppt. Egal, ob Klassik, Pop oder Rock, es ist einfach schön, Menschen zuzusehen, die mit Spaß und Leidenschaft ein Instrument spielen. Und wenn dann das ganze Publikum mitsingt, stellen sich doch die Nackenhaare auf… Am Freitag war es übrigens Aaron Prüßen, der uns mit intensiven Liedern von Liebe, Neuanfängen und Meer aufs Wochenende einstimmte. So ein Privatkonzert ist schon beeindruckend – vor allem, wenn sich der Musiker hinterher noch zu einem setzt und spontan Musikwünsche interpretiert. Samstag ging es dann im sehr viel größeren Kreis bei Fools Garden, Wingenfelder und Jylland weiter.

Ja, richtig gehört, Fools Garden – die mit Lemon Tree! Die selbstverständlich auch andere schöne Lieder haben, doch immer noch von diesem einen leben können… Das Konzert lebte vom Wechsel verschiedener Stimmungen, von Party-Mitsingen bei Lemon Tree bis hin zu gedankenverlorenem Schweigen bei Jylland. Besonders schön fand ich, dass die Musiker teils alle gemeinsam auf der Bühne standen und die Lieder zusammen interpretierten. Und der unbekannteste Musiker der Truppe hat mich am meisten vom Hockern gehauen – die Lieder von Jylland wanderten direkt auf meine Playlist, und als ich bei den Konzertterminen eines in Erfurt erblickte, musste ich mir den Tag sofort rot im Kalender anstreichen.

So – du fragst dich jetzt wahrscheinlich, warum ich über all das schreibe und was es mit #djhrockt und diesem komischen Blogger-Event auf sich hat. Djh, das steht für die deutschen Jugendherbergen, die zumindest in Niedersachsen und Bremen inzwischen viel mehr machen als Schulklassen zu beherbergen. Zusammen mit der Oldenburgischen Landesbank als Sponsor stellen sie seit 2011 das OLB-Musikcamp auf die Beine. Anfangs gab es tagsüber Musik-Workshops für Schüler, die sich an verschiedenen Instrumenten ausprobieren oder über Karrierechancen im Bereich Musik informieren konnten. Seit 2013 wurde stattdessen jährlich ein Workshop-Wochenende für den musikalischen Nachwuchs aus der Region organisiert. Junge Künstlerinnen und Künstler konnten sich bewerben und dann ein Wochenende lang intensiv mit der Unterstützung verschiedener bereits bekannter Künstler proben. Die beste Band oder der beste Künstler erwartete ein Studioaufenthalt, der oder die Zweitbeste durfte zusammen mit Wingenfelder auftreten. Eine tolle Chance – vor allem in einer Region wie im Norden Niedersachsens, die vor Strukturen für die Nachwuchsförderung nicht gerade überquillt. Dazu fanden in verschiedenen Jugendherbergen im Nordwesten Konzerte statt, bei denen die Band Wingenfelder auftrat und jeweils weitere Künstler einlud. In den vergangenen Jahren sind dabei schon Bosse, Die Happy, Andreas Bourani und andere aufgetreten.

Danke an Katja für das Foto!

Vergangenes Wochenende gab es zum ersten Mal im Rahmen eines solchen Konzertes ein Blogger-Event. Neun Bloggerinnen aus ganz verschiedenen Bereichen wurden eingeladen – und ich kann hier gar nicht ausdrücken, wie glücklich ich darüber bin, dass auch ich dabei war! Ich habe wunderbare Menschen kennen gelernt, hatte viel Spaß beim Programm und bei den Konzerten, und habe viel wieder mit nach Hause genommen. Unter anderen einen Zitronenbaum, der nun in meinem Wohnzimmer steht und den Lemon-Tree-Ohrwurm vermutlich noch ein bisschen in meinem Kopf halten wird. Und: Ich hatte endlich einen Grund dafür, zum ersten Mal die Nordsee zu besuchen. Fotos und Berichte vom Meer wird es bald in einem weiteren Blogartikel geben! Bis dahin sage ich nochmal tausend Dank an die Jugendherbergen im Nordwesten für das tolle Event und die Einladung, für alle beteiligten Künstler für die tollen Konzerte und für alle Teilnehmerinnen für die schöne Zeit!

Von links nach rechts waren das übrigens Katja von Mädchen mit Herz, Antje von Rucksack und Kamera, Ines von Hauptstadtpuppi, Sarah von Verwandert (vorn), Steffi von Hauptsache Meer (hinten), ich, Cora von Im Goldrausch, Janett von Teilzeitreisen und Nina von Hedi näht. Super Truppe!

Welche Rolle spielt Musik in deinem Leben? Geht es dir auch so, dass du dich an die Bedeutung und die Schönheit von Musik manchmal erst erinnern musst?

9 Gedanken zu “Wenn die Musik dich mitreißt”

  1. Das ist lustig: Bei mir spielt Musik heute eine viel größere Rolle als früher. Was aber trotzdem nicht bedeutet, dass ich vieles namentlich benennen kann ;)! Und: Da ist es ja noch bedauerlicher, dass ich an dem WE nicht konnte… Liebe Grüße!

  2. Oh wow, hab von dem Event schon von Cora gehört aber wusste nicht das du da auch dabei warst! Wie schön und cool das alles klingt 🙂 Musik spielt für mich eine sehr große Rolle in meinem Leben, ich höre zwar nicht mehr so viel wie früher, aber ich liebe es neues zu entdecken, auf Konzerte zu gehen und einfach mal einen Abend Musik zu hören und dabei im Netz zu surfen (meistens auf tumblr haha). Falls du Lust hast öfter über Musik zu bloggen, lad ich dich herzlich ein bei Maribels Musikprojekt "Musik und Du" mitzumachen, da wird das einem immer sehr gut bewusst, da man zu einem bestimmten Thema immer ein Lied aussuchen soll 🙂 hier ist mal der Link: http://maribelskywalker.blogspot.de/p/musik-du.html, ich denke Maribel freut sich wenn du mitmachst 😀

    Liebe Grüße und schönes Wochenende! <3
    Jasmin von nimsajx.blogspot.de

  3. Sehr schöner Post, du kannst wirklich gut schreiben!
    Ich kenne das Gefühl, wie du es am Anfang beschrieben hast. Irgendwie ist Musik nur noch eine Nebensache geworden, was etwas traurig ist. Deswegen hab ich mal meine alten CD's rausgekramt und lege mich jetzt ins Bett und mache einfach mal nichts. 😀
    Liebe Grüße,
    http://joannarax.de/

  4. Ach, Musik – war schon immer stiller Begleiter auf all meinen Wegen. Denn Musik ist ja nicht nur Musik im Sinne von Liedern oder Filmsoundtracks, sondern auch das Rauschen der Blätter im Frühlingswind, der Ruf der Meereswellen im Sommer, das Herbstlaubflüstern bei Oktoberspaziergängen und das lautlose Fallen von Schneeflocken im Winter. Für mich ist auch Stille eine Art von Musik – und manchmal die einzige, die ich um mich brauche.

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