Was bleibt

Wer meine Wohnung betritt, bemerkt nicht direkt, dass ich gern verreise und dass ich mich für andere Kulturen interessiere. Gut, da steht ein kleiner Globus auf der Kommode, daneben ein Bild von einem komischen überfüllten Strand, im Wohnzimmer hängt eine alte Retro-Postkarte neben einer Zeichnung von einem Lama, und darunter Che Guevara, der ein Sandwich isst. Darunter eines dieser typischen Poster aus Sevilla, ein altes Plakat von der Feria 1973, tausendmal neu gedruckt und zuhauf an Touristen verkauft. Wer einen Blick ins Arbeitszimmer wirft, kann meine Scratch-Map entdecken, ein Geschenk zu meinem neunzehnten Geburtstag, und ein paar aufgehängte Postkarten und Prospekte. In der Küche steht ein Gewürzdöschen und eine Packung Kamillentee mit georgischer Schrift, und am liebsten würze ich alles mit dem Paprikapulver, das ich aus Ungarn mitgebracht habe. Das war es dann aber auch – bei mir liegen keine Teppiche mit bunten Motiven aus aller Welt, auf herumstehende Deko reagiere ich eher allergisch und unsere Möbel sind fast allesamt von Ikea, zum Großteil in langweiligem schwarz, weiß oder grau gehalten.

Das Souvenir-Dilemma

Dass die Schwarzweiß-Aufnahme von dem überfüllten Strand aus Lima stammt, genauer gesagt vom Strand in Chorillos, ganz nah an einer Ecke von Lima, in der ich drei Monate gewohnt habe, weiß nur ich. Genauso kann nur ich mich daran erinnern, wie es um Neujahr herum an Limas Stränden beinahe unwirklich voll wurde, und daran, dass Limas Oberschicht weit in den Norden oder Süden in eigene Strandhauskolonien fuhr, in denen jedes einzelne Haus gleich aussah, und riesige Einkaufszentren nur von Dezember bis Februar geöffnet hatten. Ich weiß noch, dass es den einen oder anderen Aufschrei in Lima gab, da es in diesen Siedlungen ganz im Norden oder Süden der Stadt, weit weg von den dreckigen Stränden von Chorillos oder San Martín, Hausangestellten verboten war, tagsüber schwimmen zu gehen. Auch auf dem Bild sieht man deutlich den normalen Strand und den davon abgegrenzten Strandclub, natürlich nur für Mitglieder. Trennung von arm und reich sogar im Sommerurlaub, jeder Strand für eine andere soziale Schicht, der öffentliche Strand von Chorillos eher der Platz für die untere Mittelschicht. Ich weiß noch, wie dreckiger Schaum auf den Wellen vor Chorillos tanzte, und es mittags nach fettigem Essen roch. Im Sommer hatten wir in der Arbeit ein Projekt zum Schutz der Strände, wollten Menschen dazu bringen, ihren Müll nicht herum liegen zu lassen und vor allem nicht ins Meer zu werfen. In Chorillos bauten wir Spiele auf und verschenkten Softdrinks und unförmige T-Shirts mit dem Logo der Aktion. Zweimal waren wir unterwegs, um den Strand zu säubern, kamen jedoch jedes Mal eher, um ein paar Fotos mit Mundschutz und Piekser in der Hand zu machen, als um wirklich etwas zu tun. Das Bild selbst ist eigentlich eine kostenlose Postkarte, die ich mal in einem Café in Miraflores gefunden habe. All das kommt mir in den Sinn, wenn ich das Bild anschaue, das neben dem kleinen Globus auf dem Regal steht, und deshalb mag ich die Schwarzweiß-Aufnahme sehr. Jeder andere jedoch sieht nur ein merkwürdiges Bild, körnig, klein, von einem überfüllten Strand, und kann nicht verstehen, warum ich es aufgestellt habe.

Die Retro-Postkarte auf der oberen Fotoleiste zeigt eine Straße in einem der Stadtteile Limas, in dem ich gelebt habe. VW Käfer und andere alte Autos fahren zwischen Häusern in Kolonialarchitektur und grellblauem Himmel. Ich mag es, mir das Bild anzuschauen und mich daran zu erinnern, wie die Straße heute aussieht. Das weiße Gebäude mit dem roten Schild ist heute ein Metro-Supermarkt, das Uhrengeschäft heute eine Bank. Was man auf dem Bild nicht sieht: Die Karte ist nicht auf alt gemacht, sondern stammt tatsächlich aus dem vergangenen Jahrhundert, hinten ist sie ganz vergilbt. Aus welchem Jahrzehnt sie stammen mag, kann ich nicht genau sagen, vielleicht aus den siebziger oder achtziger Jahren. Jemand, der sich mit Autos auskennt, könnte mir vermutlich weiterhelfen, aber, ganz ehrlich, solche Gurken fahren in Lima heute noch herum… Wenn ich das Bild sehe, denke ich daran, wie ich die Postkarte gekauft habe. Gegenüber von meiner Arbeitsstelle gab es eine winzige Post, absolut perfekt, den in zentralen Poststellen in Peru muss man normalerweise stundenlang anstehen, bis man einen Brief abgeben kann. Dort verkauften sie diese Karten unheimlich günstig, wer weiß, wie lange sie dort schon lagen, und da ich damals ohnehin ständig in Geldnot war, verschickte ich die Uralt-Ansichten von Lima an Freunde. Wer nur das Bild sieht, fragt sich wahrscheinlich, warum ich eine langweilige Straßenszene aufgehängt habe, oder vermutet aufgrund der Oldtimer, es wäre eine Aufnahme aus Havanna…

Che Guevara, der ein Sandwich isst – ein komischer Wandschmuck, zwischen Segelschiffgrafik und alter Karte aus einem Flohmarktbuch. Die Karte stammt aus dem Sandwich-Laden „La Lucha“ in Miraflores, Peru. Dort gibt es die besten Pommes, die ich in meinem Leben gegessen habe, und wenn ich ein bisschen Geld übrig hatte, gönnte ich mir dort ein Sandwich, das etwa doppelt so teuer war wie ein Mittagessen in einem normalen Restaurant… Dafür ist das Restaurant einfach cool eingerichtet. Eine Wand ist mit Combi-Boletos, also den kleinen Tickets, die man im Bus bekommt, gepflastert, von oben bis unten. Hinten auf der Postkarte steht ein längerer Spruch, der für mich so peruanisch ist, wie etwas nur sein kann. La Lucha lädt die Leute ein, ihre Mission über einem Sandwich zu reflektieren, um aus jedem Tag das Beste zu machen. Die positive Lebenshaltung, die Machen-Einstellung, die Hoffnung Perus steckt für mich darin, mit einem kleinen Augenzwinkern. Du kannst alles schaffen, was du willst, solange du vorher richtig (das heißt, etwas originär Peruanisches) gegessen hast, pünktlich um zwölf natürlich! Für jemand Fremden, der zu Besuch ist, wirkt die Karte vielleicht ein bisschen abschreckend. Ja, ich liebe den Film „The Motorcycle Diaries“, das muss ich zugeben. Aber nein, ich bin nicht linksradikal und halte Kuba nicht für das beste Regime der Erde. Meine Postkarte gefällt mir einfach, sie erinnert mich an meine Lieblings-„Sanguchería“, an leckere Pommes am Ende einer durchfeierten Nacht und daran, dass gefühlt jeder Peruaner und jede Peruanerin mit Herzblut irgendein Ziel verfolgt, egal, wie weit entfernt das sein mag, an die Träume und Hoffnungen der Menschen. Doch ohne meine Erklärung versteht das wohl niemand…

Genauso weiß niemand, wenn er mein Sevilla-Poster ansieht, dass ich der Stadt absolut verfallen bin, und sie für die schönste Europas halte. Wer meine Scratch Map sieht, kann nicht ahnen, dass ich eigentlich nicht reise, um Länder und Sehenswürdigkeiten abzuklappern. Alle meine Souvenirs, die Fotos, die ich aufgehängt habe, sind mir wichtig, weil sie mich an etwas erinnern. Doch um meine Reise-Leidenschaft, meine Liebe zu Lateinamerika zu Hause präsentieren zu können, müsste ich gefühlt bunte Streifenteppiche auf den Boden legen und Lamastatuen auf meinem Regal präsentieren. Wie immer das Dilemma – das wahre Land, die tatsächlichen Erfahrungen, auch wenn sie unseren Klischees, unseren Vorstellungen von Ästhetik und Exotik widersprechen? Oder die hübschen, passenden Bilder und Gegenstände, die jeder versteht, die sich einfach präsentieren lassen?

Mehr eigene Fotos an die Wand!

Mit den Reiseerinnerungen ist es so eine Sache, finde ich. Ich stecke nicht nur in diesem kleinen Dilemma, sondern ich bin auch schlecht darin, Souvenirs mit nach Hause zu bringen. Wenn ich auf einer Reise Schmuck kaufe, gefällt er mir oft zu Hause nicht mehr, Deko lässt sich schwer transportieren – und stellt für mich hauptsächlich einen Staubfänger dar. Ich weiß, die wichtigsten Mitbringsel sind die eigenen Erinnerungen und Erfahrungen, doch ich würde mir manchmal wünschen, dass meine Wohnung mehr nach Weltenbummlerin schreit. Ich glaube, in Zukunft möchte ich mehr aus meinen eigenen Fotos machen. Ich bringe von jeder Reise so viele mit nach Hause, und die meisten landen doch höchstens hier auf dem Blog. Warum nicht das eine oder andere Bild als Poster drucken und rahmen lassen? Als ich eine Kooperationsanfrage von fotopost24 erhielt, war ich selbst überrascht davon, wie billig das Drucken dort ist. Ein 50×70-Poster beispielsweise kostet weniger als 10 Euro, und beim Möbelschweden gibts den passenden Rahmen bereits für unter 15 Euro. Eine günstige, schöne und vor allem individuelle Möglichkeit, die eigene Wohnung zu gestalten. Und nichts macht einen stolzer als die Frage des Besuchs: „Wow, das Bild sieht ja toll aus, hast du das selbst gemacht?“

Ich habe mir über fotopost24 ein Bild hinter Acrylglas packen lassen. Erst wollte ich eine Leinwand oder ein Poster, doch eine wirklich freie Wand haben wir nicht mehr und im halbdunklen Flur oder zwischen unseren anderen Bildern hatte ich Angst, dass ein großes Bild untergehen würde. So entschied ich mich für das Bild aus Glas, das mittlerweile einen Platz im Bad gefunden hat. Klingt vielleicht komisch, aber es gefällt mir, in jedem Zimmer irgendwo eine kleine Reise-Erinnerung zu haben, und eine Leinwand oder ein Holzrahmen im Bad sind vielleicht ein bisschen ungeschickt. So ist das Glasbild dafür mehr als perfekt!

Bei fotopost24 habe ich übrigens noch etwas anderes drucken lassen, das für ein Gewinnspiel gedacht ist… Doch momentan will ich noch nicht zu viel verraten! Nächste Woche wird jedoch ein Newsletter rausgehen, in dem ich erzähle, was ich in nächster Zeit mit heldenwetter geplant habe. Sei gespannt, es gibt ziemlich große Neuigkeiten! Meld dich am besten gleich hier zum Newsletter an!

Wie hältst du es mit Souvenirs? Hast du die gleichen Schwierigkeiten wie ich? Oder hast du Tipps oder Fotos zu deinem Zuhause? Ich würde mich über Inspirationen freuen!

8 Gedanken zu “Was bleibt”

  1. Mit Reiseerinnerungen ist das bei mir auch so eine Sache. Ich habe eigentlich gar kein Bild von einer Reise an der Wand, nur Bilder von Freunden und der Familie, Photobooth Bilder sind mir die liebsten, weil es tolle Erinnerungen sind. Von Reisen zehre ich noch lange vor allem im Kopf und die Bilder schaue ich mir sowieso immer und immer wieder an. Ob ich sie für den Blog raussuche oder einfach nur mal wieder die Spotify Playlist mit dem Irish Folk anschmeiße und mich bei Cider der Sehnsucht hingebe. Und jetzt wo du es sagst, finde ich es sogar ziemlich komisch, dass ich nicht ein Reisebild an der Wand hängen habe. *Schaut sich suchend im Zimmer um* HA! Stimmt nicht ganz. 2 Bilder aus London hängen tatsächlich dran und eine Stadtkarte von Eckernförde.. in meiner maritimen Ecke.. Aber da vorn liegt das Irish Farytales Book, das Guiness Glas steht im Regal und das Smithwick's tront immer neben meiner Darth Vader Maske, links steht das Sparschwein auf dem "Reiseschwein" zu lesen ist und viele Kleinigkeiten warten noch darauf ins Reisetagebuch geklebt zu werden. Ich glaube wenn man genau hinsieht, kann man doch ein paar Sachen finden 😛

  2. wir haben uns angewöhnt, von jeder reise ein kleines gemaltes bild mitzbringen, das in einer galerie an einer wand hängt. ansonsten finde ich das auch schwierig. ich hatte immer die pläne einer fotocollagenwand, da ich es aber nie umgesetzt hab, hab ich die wand nun doch anders gestaltet. gegenüber der couch, über dem fernseher, klebt ein weltkartenwandtattoo und an der seite der amerikanischen westküste hängt die arizona-nummerntafel, die wir in andenken an unsere fahrt zum grand canyon mitgebracht haben.

    ich denke, du hast wundervolle, kleine andenken an deine reisen mitgenommen, die für dich persönlich etwas bedeuten, wenn du sie ansiehst. muss jemand anderes sehen, dass es die wohnung einer weltenbummlerin ist? jeder, der dich kennt, wird es wohl wissen – und du auch. hauptsache ist also, dass du dich mit deiner deko daheim wohlfühlst. und diese kleinen erinnerungsmomente, nicht das "typische", das ist es doch, was die erinnerung ausmacht, oder?

    eigene fotos finde ich übrigens trotzdem schön und wenn ihr mehrere wände hätte, dann hätte ich wohl schon golden gate triptychons, whale watching leinwände, eiffeltürme, buchten, fjorde und tausend andere sachen aufgehängt 😉

  3. total SCHÖN!
    Ich steh ja auch nicht auf tauend Bilder die mich un dmeinen Freun dim Urlaub zeigen oder sonst wo.
    Auf keinem einzigen Bild in susnerer Wohnugn sind wir zu sehen… oder Freunde.. doer Familie.
    Er macht ja ohnehin Landschaftsfotografie. Ich Zeichne Architektur… keiner weiß von unseren Erlebnissen… aber wir, wir erinnern uns gerne, wenn wir uns die bilder ansehen.

    Viele liebe Grüße!

    Franzy

    P.S.: bei mir gibt es gerade wieder etwas tolles zu gewinnen: WOLKEN für die Wände..
    und weil mein Lostopf noch so leer ist würde ich mich unheimlich freuen, wenn du auch mit rein springst…

    viele liebe Grüße!

    Franzy

  4. Ich habe auch nur ein paar Dinge herumstehen – den Matebecher, ein paar Bilder, Bücher und Schälchen. Ich mag es wie du einfach lieber schlicht, aber ich sollte mir eigentlich vornehmen, ein paar mehr Bilder auszudrucken und anzuhängen – das macht einfach was her und weckt Erinnerungen 🙂

  5. Ich bin zwar eher der Deko-Typ (auch wenn sie Staubfänger sind ;-)), doch von unseren Bergtouren bringe ich auch nichts anderes als Fotos mit nach Hause. Allerdings bin ich immer noch auf der Suche nach DEM Stein, den ich dann für immer und ewig in meiner Wohnung stehen hab 😀

    Wenn wir mal mehr Platz haben, würd ich auch gern einen Sonnenuntergang drucken und rahmen lassen.

    Ich glaub auch nicht, dass es so wichtig ist, dass andere Leute sehen, was man gerne macht. Man muss sich selbst in den eigenen vier Wänden wohlfühlen. Manche kaufen schlaue Bücher und stellen sie ins Regal, ohne sie jemals gelesen zu haben, nur damit man eben "intellektuell" wirkt. Find ich überflüssig…

    Liebe Grüße, Daniela

  6. Ich bringe mir von jeder meiner Reisen eine Kleinigkeit mit und wenn es nur ein Lesezeichen wie aus Island ist. Aus Kuba habe ich mir ein handgefertigtes Blechauto aus einer Bierdose mitgebracht. Ansonsten habe ich kleine Kunstdrucke, die ich in verschiedenen Städten (London, Paris …) gekauft habe in alte Bilderrahmen gesteckt. Diese Bilderrahmen wollte einer meiner Nachbarn loswerden und hat sie bei unseren Briefkästen mit dem Hinweis "zu verschenken" abgelegt. Für meine Zwecke waren sie hervorragend – sehr schön im Vintage-Stil. 🙂

    LG Myriam

    PS: Ich hätte auch gern so eine Rubbel-Weltkarte 🙂 Bislang muss die auf meinem Blog ausreichen.

  7. Oh wie schön das Poster ist! Tolle Idee, möchte ich auch mal machen wenn ich endlich eine eigene Wohnung habe 🙂 ich kauf gerne Souvenirs aber immer in Maßen. Ich mache mir zum Beispiel oft eine Liste, mit Dingen die gerne kaufen möchte und die es im jeweiligen Land nur dort gibt oder eben authentisch (zum Beispiel mein Berber Teppich aus Marokko oder ein Batik Bild aus Indonesien). Oft ist es Deko bzw für die Wohnung aber wie gesagt nicht so viel weil ich nur ein Zimmer habe 😀 außerdem shoppe ich gern in anderen Ländern und achte auch darauf, dass es nicht 0815 ist sondern meistens traditionell (zum Beispiel ein Pullover aus Schafswolle und ein Kamelrucksack aus Marokko oder einen Sarong aus Indonesien / Thailand, die typischen Haremshosen etc.). Also Souvenirs ja, aber nicht solche die jeder hat. Mein lieblingssouvenir sind außer den Erinnerungen und Fotos außerdem Muscheln! Könnte stundenlang am Meer entlang laufen und die sammeln 🙂

    Liebe Grüße
    Jasmin von nimsajx.blogspot.de
    (Bin gerade wieder aus Indonesien zurück und kann nicht schlafen xD)

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