Über den Tellerrand: Mein Lieblingsgedicht

Ich mag Blogparaden, Blogaktionen, Linkpartys und alles, was dazugehört. Vernetzung ist super beim Bloggen, inspiriert und macht Spaß. Doch irgendwie ist vieles doch ziemlicher Einheitsbrei – Interviews, Blogparaden, die sich an Jahreszeiten orientieren, Adventskalender… Das alles ist super, ich mach mehr als gerne mit, lerne immer tolle Bloggerinnen und Blogger kennen und ich möchte mich überhaupt nicht beschweren – aber ich bin eben umso begeisterter, wenn ich mal auf eine Aktion stoße, die wirklich kreativ und ungewöhnlich ist und mir selbst als Teilnehmerin auch ein bisschen was abverlangt. So hab ich mich total gefreut, als mich Kato von Innocent Glow gefragt hat, ob ich nicht bei ihrer Blogparade „Über den Tellerrand“ mitmachen möchte. Worum es geht? Jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer bekam einen anderen Blog zugelost, schaute ihn sich an und wählte ein Thema außerhalb des Bereichs, in dem sich der Blog normalerweise bewegt. Bonnie, die sonst eher fotografiert, bekam so beispielsweise die Aufgabe, über den Mode- und Schönheitswahn in der Gesellschaft zu schreiben, Technikblogger Christopher das Thema „Weihnachten aus Männersicht“. Einige Beiträge sind schon online, ein paar folgen bestimmt noch – hier findet ihr eine Übersicht. Ich hab mir übrigens ein Thema für Aileen ausgesucht, das sie auch schon umgesetzt hat.

Poesie im Alltag

So – und mein Thema? Ich habe von Anne ein literarisches Thema bekommen: Mein Lieblingsgedicht. Erst einmal hab ich mich total gefreut, weil ich eigentlich ganz gerne, aber viel zu selten Gedichte lese und es oft ein bisschen traurig finde, dass Poesie im Alltag so sehr in den Hintergrund tritt. Hand aufs Herz, wer hat nach der Schulzeit noch einmal einen Gedichtband in die Hand genommen? Für Gedichte muss man sich Zeit nehmen, sich wirklich mit ihnen auseinandersetzen, sie in einen historischen, politischen, sozialen Kontext einordnen. Gedichte passen nicht in unsere schnelllebige Zeit, sind uns zu anstrengend, zu kurios. Viele Zeilen muss man mehrmals lesen und hat selbst dann den Sinn vielleicht nicht ganz verstanden. Es kommt uns, die wir in Arbeit, Studium und Alltag darauf gedrillt werden, so schnell wie möglich Informationen zu extrahieren, komisch vor, dass man sich auf einmal auch mit einem einzigen Wort eine Stunde lang beschäftigen kann.

Ein Gedicht auf einer fremden Sprache?

Nach der Freude kam erst einmal die Ernüchterung. Ein einzelnes Gedicht? Und das dann auch noch hier vorstellen? Ich habe lustigerweise auf meinem Laptop tatsächlich eine kleine Sammlung von Gedichten, die ich schön fand und finde, eingescannt oder aus dem Internet kopiert, und sogar zwei Gedichtbände in meinem Bücherregal stehen. Und da ich kein einzelnes Gedicht im Kopf hatte, war die Auswahl erst mal riesig. Noch dazu kam, dass ein Großteil der Gedichte in meiner Sammlung nicht auf deutsch sind. Das kannst du doch nicht bringen, das versteht ja keiner, dachte ich mir erst. Doch letztendlich habe ich mich tatsächlich für ein Gedicht auf spanisch entschieden. Warum? Habt ihr schon einmal versucht, ein Gedicht auf einer anderen Sprache zu hören oder zu lesen – obwohl ihr kaum ein Wort versteht? Es ist interessant, wie man ein Gedicht trotzdem wunderschön finden kann, wie man darauf hört, wie sich die Silben aneinanderreihen, wie der Klang ganz eigene Assoziationen hervorruft. Das ist eben gerade das Schöne an Gedichten – sie bestechen nicht nur durch ihren Inhalt, sondern auch durch ihren Aufbau und ihren Klang, und sie befeuern damit die innere Gedankenwelt wie kaum etwas anderes.

Mitten hinein in andalusische Gärten und Bergdörfer…

Das Gedicht, das ich für den heutigen Post ausgesucht habe, heißt „Anda, jaleo“ und stammt aus der Feder des wohl berühmtesten spanischen Dichters Federico García Lorca. Egal, welches Gedicht von ihm ich lese, ich bleibe sofort hängen und mein Kopfkino geht an. Da schwanken Pinien oder Olivenbäume im Wind, der Himmel ist blau, die Erde staubig, dazwischen weiße Häuser, die in der Sommerhitze des andalusischen Hinterlands flimmern… Dabei sind die meisten Gedichte von ihm in irgendeiner Art und Weise tragisch, so wie auch García Lorcas Leben tragisch war. Als Republikaner und noch dazu Homosexueller hatte der in Granada geborene Dichter zu seiner Zeit kein leichtes Leben und seine gesellschaftskritischen Texte führten dazu, dass er mit jungen 38 Jahren gleich am Anfang des spanischen Bürgerkrieges ermordet wurde. Kurz davor wurde das Gedicht „Anda jaleo“ geschrieben, das, wie ich finde, die Tragik des spanischen Bürgerkrieges, den Kampf von Brüdern gegen Brüder, Nachbarn gegen Nachbarn und den Konflikt der „zwei Spanien“ fantastisch einfängt. „Anda jaleo“ war eigentlich ein andalusisches Volkslied, das durch García Lorca einen neuen Text bekam. Das Gedicht hat so auch die Strophen- und Versform eines Volksliedes.

So, hier also – mit meiner eigenen, unperfekten Übersetzung. Ich hoffe sehr, ihr habt diesen etwas ungewöhnlichen Blogbeitrag gerne gelesen und konntet euch auf ein unbekanntes Gedicht, noch dazu wahrscheinlich für viele in einer fremden Sprache, einlassen. Wenn nicht, dann hoffe ich, euch haben wenigstens die Fotos aus Málaga und Sevilla gefallen 🙂 Abschließend – lest mal wieder ein Gedicht, denn das ist toll! Lasst euch jedes einzelne Wort auf der Zunge zergehen und vergesst die Welt um euch herum. Viel Spaß dabei!

6 Gedanken zu “Über den Tellerrand: Mein Lieblingsgedicht”

  1. Hey, das ist ja eine tolle Blogaktion.
    Als ich jetzt deinen Beitrag dazu gelesen habe… das musste ich überlegen, was mein Lieblingsgedicht ist. Aber es fällt mir schwer, mich zu entscheiden. Ich mag die alte Literatur… Goethe und Schiller, Benn und Brecht… Hach, da geht mir das Herz auf 🙂
    Das spanische Gedicht klingt auch sehr schön. Danke <3

    Liebe Grüße,
    Dani

  2. Da ich noch zur Schule gehe, werde ich ja relativ häufig mit Gedichten konfrontiert. Welches genau mein Lieblingsgedicht ist, kann ich nicht sagen, aber welche Dichter ich besonders super finde, weiß ich genau: Das sind nämlich Nazım Hikmet (auch auf Deutsch, auf Türkisch habe ich noch nichts von ihm gelesen) und Mascha Kaléko. Beide sogar unabhängig vom Unterricht entdeckt und direkt ins Herz geschlossen!
    Tolle Blogaktion und schöner Post von dir – und Respekt, dass du das Gedicht selbst für uns übersetzt hast! Es klingt auch auf Deutsch schön 🙂

    Liebe Grüße und frohes neues Jahr!
    Malika

  3. Ich find die Aktion richtig spannend – eben wirklich mal was anderes! Ich mag Gedichte sehr gern, hab auch den ein oder anderen Gedichtband im Schrank stehen und mag es einfach, mich mit der Poesie auseinander zu setzen.

  4. Passen Gedichte wirklich nicht in unsere schnelllebige Zeit? Eigentlich sind sie ja in ihrer Kürze perfekt, um zwischendurch oder unterwegs gelesen zu werden. Man kann sicher oft auch schon durch "oberflächliche" Lektüre etwas mitnehmen, denn, da stimme ich dir zu, der Klang trägt selbst schon Bedeutung, vermittelt ein Gefühl oder berührt dich irgendwo.
    Vielleicht hat man dann aber doch immer das Gefühl, noch darüber hinaus verstehen und deshalb genauer lesen und drüber nachdenken zu müssen. Und dafür ist dann doch wieder wenig Platz im hektischen Alltag – und Gedichte, die sich nicht auf den ersten Blick selbst erklären, stehen schon in Kontrast zu den Fotos, Schlagzeilen oder anderem, was uns sonst so im Netz und anderswo entgegensticht.
    Vielleicht braucht es einfach mehr Mut, sich auf Gedichte einzulassen, ohne sich in der Pflicht zu fühlen, alles verstehen zu müssen? Dann nehme ich persönlich am meisten mit. Zum Glück verlangt heute keiner mehr eine lückenlose Interpretation von mir 😉

    Danke, dass du das Gedicht mit uns geteilt hast, sogar mit Übersetzung! Es ist immer wieder schön, auf diese Art neue Dichter kennenzulernen, mit denen man sich sonst vermutlich nie beschäftigt hätte. Habe deine Gedanken dazu sehr gerne gelesen 🙂

  5. Ich bin großer Fan von Lyrik, wenn auch ich Gedichten nicht viel abgewinnen kann.
    Aber Songtexte… die sind ja auch Lyrik, und der begegnen wir ständig im Alltag – und wieviele kennen wir wohl auswendig und können problemlos mitsingen? 😀

    Mein Lieblingsgedicht jenseits von Musik ist »Herr Ribbeck von Ribbeck im Haveland«

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