Brasilien abseits der WM – Brasília

So, morgen Abend darf schon wieder mit der deutschen Fußballmannschaft mitgefiebert werden – obwohl ich das fast ein bisschen schade finde, da ich auch Brasilien als Gastgeberland den Sieg wünschen würde. Mal sehen, was passiert – auf jeden Fall geht es mit der Serie „Brasilien abseits der WM“ nun in die zweite Runde, und das heißt, in Brasiliens Hauptstadt Brasília. Worum es hier genau geht? In Kooperation mit Wacom und dem brasilianisch-japanischen Künstler Shin, der momentan in Deutschland studiert, darf ich euch vier Städte in Brasilien samt Geheimtipps und einer eigens von Shin gezeichneten Karte präsentieren. Letzte Woche ging es los mit São Paulo, zwei weitere Städte folgen noch. Welche genau, verrate ich noch nicht, aber ich sage euch schon mal, dass es zusätzlich zur letzten Stadt ein großes Gewinnspiel geben wird! Schaut also unbedingt weiterhin vorbei und holt euch die besten Brasilien-Insider-Tipps ab.Brasília finde ich ja eine richtig interessante Stadt – schon allein deshalb, da sie so künstlich konstruiert wurde und sehr viele spannende moderne Gebäude beinhaltet. Shin hat darüber einiges zu berichten, und zusätzlich zu den Brasilien-Tipps durfte ich ihm auch noch ein paar Interviewfragen stellen, deren Antworten ihr unten lesen könnt. Besonders spannend fand ich dabei, auch mal nachzufragen, wie die momentane Stimmung in Brasilien ist und ob Proteste immer noch an der Tagesordnung sind, beziehungsweise auch, ob die einem Großteil der Bevölkerung entsprechen. Viel Spaß beim Lesen!

Auch wenn die Leistung der eigenen Mannschaft bisher etwas zu Wünschen übrig lässt, ist die Euphorie in Brasilien zur WM weiterhin deutlich spürbar, natürlich auch in der Hauptstadt Brasilia. Und schon jetzt freut man sich in der Stadt auf das Spiel um Platz Drei, dann natürlich hoffentlich ohne die Seleção, die schon in Rio zum Finale erwartet werden. Ausnahmsweise steht Brasilia dann gerne im Schatten des besonders bei Touristen bekannteren Rio de Janeiro.

Zu Unrecht. Denn schon der Landeanflug auf Brasilia lässt einen die Schönheit der Stadt erahnen. Aus der Luft sieht die in den 50er Jahren vom Stadtplaner Lúcio Costa und dem berühmten Architekten Oscar Niemeyer auf dem Reißbrett entworfene Stadt aus wie ein Flugzeug. Ironischerweise hatte man dem Projekt zum Entwurf der neuen Hauptstadt in der Mitte des Landes den Codenamen „Plano Piloto“ (Leitplan) gegeben. Da von der ursprünglich kreuzförmig angedachten Form wenig zu erkennen ist, ist dies inzwischen ein Running Gag unter Einheimischen.

Der Städteplan Niemeyers rückte schon damals absichtlich die Catedral de Brasilia (1) ins Zentrum, die bis heute zu den auffälligsten architektonischen Gebäuden der Stadt zählt und natürlich auch bei den Touristen beliebt ist. Die Form erinnert äußerlich an eine Krone, im Inneren beeindrucken vor allem die bunten Glasfenster. Hier sollte man seine Städtetour unbedingt beginnen. Besonders, da es morgens noch nicht ganz so überlaufen ist. Nebenan liegt zudem das kuppelförmige Museu Nacional da República, das Nationalmuseum, das viele Werke von modernen und zeitgenössischen brasilianischen Künstlern beheimatet. Wer von Kunst nicht genug bekommt, sollte auch das Palácio dos Arcos (2), das Außenministerium, besuchen. Die Säulen des Gebäudes werden nach Einbruch der Dunkelheit bunt angestrahlt, aber auch tagsüber ist es natürlich ein beliebtes Fotomotiv.
Am Ende der sogenannten Monumentalachse der Stadt befindet sich der Nationalkongress (3) sowie viele weitere öffentliche Gebäude wie Botschaften, Konsulate und weiter Ministerien. Der Congresso Nacional bietet Führungen für Touristen an, aber auch ein Rundgang durch das Viertel lohnt sich schon, da man sich von der dortigen Architektur inspirieren lassen kann. Ich muss nicht erwähnen, dass das meiste aus der Feder Niemeyers stammt.

Aus Ort der Erholung wurde direkt nebenan ein künstlicher See erschaffen. Lago do Paranoá (4) ist inzwischen ein beliebtes Ausflugsziel, insbesondere für Wassersportler aller Art. Neben vielen örtlichen Sportvereinen haben sich hier aber auch viele Bars und Cafés niedergelassen, bei denen man sich bei tropischen Temperaturen ein kühles Getränk mit Blick auf das Wasser gönnen sollte. Direkt ins Auge springt einem dabei wohl die Juscelino Kubitschek Brücke (5), benannt nach dem ehemaligen brasilianischen Präsidenten. Was für San Franzisco die Golden Gate Bridge ist, ist die umgangssprachlich Ponte JK genannte, mehrfach ausgezeichnete Bücke für Brasilia.

So lange man den Ausblick auch gerne genießen möchte, sollte man dennoch weiter spazieren, am besten entlang des Piers. Hier sollte einen der Duft nach Essen eigentlich schon von alleine hinziehen, den nirgendwo sonst in Brasilia findet man so viele gute Restaurants an einem Fleck. Besonders nach Feierabend bis in die frühen Morgenstunden ist der Pier dicht besiedelt und die Plätze in den Bars heiß begehrt. Besonders junge Menschen machen in den ansässigen Clubs die Nacht zum Tag. Zur WM werden in den Lokalen natürlich auch alle Spiele übertragen.

Wer nicht mit dem Flugzeug anreist, aber dennoch Brasilia mal von oben betrachten möchte, sollte auf den Fernsehturm (7) steigen. Über den Dächern der Stadt kann man den Ausblick genießen. Der Aufstieg ist übrigens kostenlos – gut für die Reisekasse. Am Wochenende kann man das gesparte Geld direkt vor Ort reinvestieren, beim allwöchentlichen Trödelmarkt. Hier findet man alles was das Herz begehrt und garantiert das ein oder andere Souvenir.

Wer von der Schnäppchenjagd erschöpft ist, sollte sich im Stadtpark (8) entspannen. Der Park in Brasilia gilt als einer der größten innerstädtischen Parks der Welt mit vielen verschiedenen, teils exotischen Bäumen, Sträuchern und Pflanzen. Für einen Rundgang sollte man sich also viel Zeit nehmen. Auch die Einheimischen verbringen hier gerne ihre freien Stunden, denn die Hektik in der Stadt ist hier kaum spürbar und man kann alles ausblenden.

Am anderen Ende der Eixo Monumental angekommen, sieht man schon von weitem das Memorial JK (9) zu Ehren des ehemaligen Präsidenten Brasiliens, der nicht nur maßgeblich am Aufbau Brasilias beteiligt war, sondern im Land immer noch verehrt wird, da er entscheidende Maßnahmen für eine bessere Zukunft des Landes auf den Weg gebracht hat. Natürlich wurde auch das Memorial in dem der Präsident begraben liegt auch von Niemeyer entworfen. Hier erfährt man nicht nur viel über die politische Karriere von Juscelino Kubitschek sondern auch über seine Frau, der First Lady Brasiliens, die ebenso verehrt wird wie ihr Mann.

Nur wenige Minuten entfernt befindet sich jetzt das Estádio Nacional de Brasília, das Nationalstadion (10). Wie die meisten Spielstätten wurde auch dieses extra für die WM neugebaut, basiert jedoch auf den Grundmauern des ehemaligen städtischen Stadions, das in 2010 abgerissen wurde. Zuvor wurde das Stadion auch für andere Anlässe benutzt, es fanden hier viele Konzerte und Kulturveranstaltungen statt. Dies ist nun vermutlich nicht mehr möglich, da die Innenfläche verkleinert wurde, um sich der Größe des Fußballfeldes anzupassen und gleichzeitig mehr Platz für Tribüne und Sitzplätze zu bieten. Ein Kritikpunkt bei vielen Einheimischen, da nun auch hier die Frage nach der Weiternutzung nach der WM und somit dem baldigen Spiel um Platz 3 im Raum steht. 

Für wen fieberst du bei der WM mit – Brasilien, Japan oder Deutschland?

Shin: „Ich war eigentlich für Japan, aber die sind ja leider schon raus. Jetzt schwanke ich, Brasilien und Deutschland sind je Favorit, ich glaube aber, gerade bin ich für Kolumbien! Ich fände es gut, wenn mal ein Außenseiter aus Südamerika gewinnt.“

Wie bist du überhaupt in Deutschland gelandet?

„Deutschland hat mich schon immer gereizt – das Land bietet mir einfach eine Menge an Möglichkeiten zur Weiterentwicklung, besonders da ich ja auch mit einem Stipendium hier an der Kunsthochschule für Medien in Köln studieren darf. Es war damals aus vielen Gründen ein logischer Schritt für mich, nach Deutschland zu kommen. Ich habe mich inzwischen auch ganz gut hier eingelebt und diesen Schritt bisher nicht bereut.“

In welches deiner Heimatländer zieht es dich denn am stärksten zurück: Japan oder Brasilien?

„Ich plane derzeit nicht wieder nach Japan oder Brasilien zurück zu gehen. Ich fühle mich gerade in Deutschland sehr wohl und könnte mir vorstellen, auch nach dem Studium hier zu bleiben, falls sich da Möglichkeiten für mich ergeben sollten. Aber wenn es am Ende nicht Deutschland wird, halte ich mir alle Möglichkeiten offen, und schaue mich erstmal um. Am liebsten wären mir natürlich wärmere Länder, wo es sowohl schöne Strände und Berge gibt. Eigenschaften, die sowohl Brasilien als auch Japan verbinden – das hat mich wohl geprägt.“

Was bekommst Du von der momentanen Stimmung in Brasilien mit? Freuen sich die Menschen über die WM oder stehen Proteste und Unzufriedenheit im Vordergrund?

„Von Freunden und in den Nachrichten höre ich, dass die Proteste derzeit zwar noch in ganz Brasilien präsent, aber tatsächlich weniger geworden sind. Auch an der WM gab es im Vorfeld wie auch jetzt viel Kritik, besonders aufgrund der Kosten für die Stadien. Aber auf der anderen Seite sind wir nun einmal eine Fußballnation. Traditionell ist die Euphorie bei jedem Spiel sehr groß und die WM im eigenen Land ist natürlich der absolute Höhepunkt. Es gibt viele Straßenfeste und Public Viewing überall und alles steht still, wenn Brasilien spielt, weil alle sich vor den Fernsehern versammeln – es ist wie an einem Feiertag! Aber man weiß nicht, wie sich das ändert, sollte Brasilien nicht in die nächste Runde kommen und ausscheiden, denn die Erwartungen an unsere Mannschaft sind hoch.“

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