stadt.land.liebe Mai #2 – Heimweh statt Fernweh

Diesmal bin ich sogar schon bei der dritten stadt.land.liebe-Aufgabe – der Mai ist ein produktiver Monat! Die Aufgabe für den heutigen Post lautet also folgendermaßen:
Heimweh statt Fernweh. Wonach sehnst du dich, wenn du längere Zeit weg von deinem Zuhause bist? Beantworte diese Frage, egal, ob in einem Text, in Fotos oder ganz kreativ.
Ich muss ehrlich zugeben, dass ich mich um diesen Text ganz schön herumgedrückt habe. Es gibt viele Dinge, die ich im Ausland an Deutschland vermisse, aber einige davon sind vielleicht sehr spezifisch – und ich wollte nicht zu viele Dinge erwähnen. Deswegen geht es heute um vier Punkte, die vielleicht eher ein bisschen ideeller Natur sind. Und es gibt nicht nur einen Text zur Heimweh-Aufgabe, sondern zugleich die Nacht-Fotos, womit ich ganze vier Aufgaben abhaken darf! Über die Nachtfotografie und meine Liebe zur Anti-Perfektion hatte ich ja gestern schon geschrieben.
Nachdem es langsam nicht mehr so kalt draußen ist und auch die Nächte wärmer werden: Schnapp dir ein Stativ und mach Fotos bei Nacht!

Familie, Freunde, liebe Menschen

Einen Punkt, den wahrscheinlich (hoffentlich) jede und jeder auf diese Liste setzen würde. Und einer, der eigentlich gar nicht mehr so schlimm ist, weil er doch auch etwas Positives hat: Es ist schön, zu wissen, dass es Menschen gibt, die man vermissen kann, wenn man weggeht. Und die einen vermissen, wenn man nicht mehr da ist. Wäre ja schlimm, wenn man einfach so verschwinden könnte, ohne dass es jemanden interessiert! Und doch ist es wahrscheinlich auch der schmerzhafteste Punkt der Liste. Vor allem, wenn man so weit von zu Hause weg ist, dass man weiß, auch mal eben eine Woche daheim lässt sich nicht einrichten – oder der Zeitunterschied so groß ist, dass man nicht einfach mal zu Hause anrufen kann, wenn einem danach ist. Doch dieser Punkt hat für mich noch eine andere Dimension: Na klar, man lernt auch woanders viele liebe Menschen kennen, und oft war ich schon überrascht, wie nahe man Menschen stehen kann, die einen ganz anderen Hintergrund haben. Aber mit den Menschen, die aus dem eigenen Kulturraum kommen, kann man doch ganz anders umgehen. Man hat eine ähnliche Sozialisation genossen, kann gemeinsam über Politik, Kinderserien oder Lieblingsmusik quatschen, ohne darüber nachdenken zu müssen, und kann Witze machen, die einfach alle verstehen. Das hat wirklich etwas für sich.

So viel grün! So still! Und so lange hell!

Gut, das kommt wahrscheinlich alles darauf an, wo im Ausland man sich befindet. Aber in Großstädten außerhalb von Westeuropa ist es oft recht wenig grün. Wer in Lateinamerika einen Park besucht, der darf oft nicht mehr erwarten als einen Grünstreifen zwischen zwei Straßen, und die meisten Deutschen können über den dortigen Gebrauch des Wortes „Wald“ wahrscheinlich nur lachen. Da ist es schon etwas Wunderbares, hier wirklich Parks zu haben, die ihren Namen verdient haben, und in denen man liegen kann, völlig ohne Autogeräusche zu hören. Auch die Tatsache, dass man (vor allem in Jena!) in wenigen Minuten per Fahrrad oder mit dem Auto schon aus der Stadt wieder draußen ist und im Grünen steht – total faszinierend und richtig schön. Auch eine Sache, die mich an Deutschland, oder vielleicht sollte ich eher sagen, Jena, freut: Ich lasse nachts mein Fenster auf, und höre – nichts. Gar nichts. Es gibt keine heulenden Autoalarmanlagen, kein Gehupe, keine endlosen Auspuffgeräusche, keine Paraden, die auf der Straße neben meinem Haus stattfinden, keine Böller, die jemand in die Luft jagt… Und der dritte Punkt hier: Im Sommer ist es einfach hell bis spät nachts! Kommt man näher an den Äquator, geht die Sonne einfach knallhart um sechs unter, egal, ob man dann erst Zeit hat, sich an den Strand zu setzen, egal, wie warm es noch ist. Auch der Sonnenuntergang dauert nie länger als dreißig Minuten – nichts mit Goldene Stunde.

Ich sage, was ich meine

Dieser Punkt hat für mich zwei verschiedene Dimensionen: Zum einen betrifft er die Sprache. Ich liebe die deutsche Sprache, und ich drücke mich gerne aus. Und es macht mich einfach fertig, wenn ich auf einer anderen Sprache spreche und mir die Wörter fehlen – oder ich mich nicht so ausdrücken kann, wie ich das möchte, sondern in eine Art Babysprache zurückfalle. Besonders schlimm bei Diskussionen, noch schlimmer, wenn es um Themen geht, in denen man einen gewissen Wortschatz braucht, um sich verständigen zu können. Oder auch, was verschiedene Arten von Umgangssprache angeht. Hach – eine traurige Erkenntnis, aber ich werde vermutlich nie eine Sprache so gut sprechen wie meine Muttersprache. Ist auch nicht so tragisch und definitiv kein Grund, nicht die Welt zu bereisen oder im Ausland zu leben. Aber trotzdem etwas, das ich im Ausland sehr vermisse.

Zum anderen knüpft dieser Punkt auch an den ersten an. In vielen Kulturen ist es nicht so erwünscht, seine eigene Meinung zu äußern. Kritik passiert eher hinter den Rücken der Menschen oder über Zwischentöne. In Deutschland haben wir – meinem Gefühl nach – eine fast schon zu krasse Diskussionskultur. Jeder hat eine Meinung zu irgendwas, und wir haben gar kein Problem damit, mit unseren besten Freunden, unseren Dozenten oder Kollegen hitzige Debatten über Politik oder Gesellschaft zu führen. Und es tut tatsächlich gut, einfach sagen zu dürfen, was man möchte, ohne gleich den Missmut seiner Mitmenschen vom Zaun zu brechen. Was selbstverständlich auch daran liegt, dass ich in Deutschland aufgewachsen bin und weiß, was ich hier wie wann zu wem sagen darf, ohne dass ich vorher nachdenken muss.

Sicherheit – und Freiheit

Vielleicht ein Punkt, über den sich manche wundern. Aber Deutschland ist ein sehr sicheres Land. Hat man es mal erlebt, in einer Stadt zu wohnen, in der manche Stadtteile einfach tabu sind, weil die Gefahr zu groß ist, dass man dort überfallen, ausgeraubt oder sonstwas wird, weiß man es sehr zu schätzen, dass man in Deutschland fast alles tun kann, ohne sich groß Sorgen machen zu müssen. Auch der Verkehr ist selbstverständlich viel sicherer hier. Das gibt einem zugleich sehr viel Freiheit: Ich kann gehen, wohin ich will, ich kann Fahrrad fahren, ohne um mein Leben fürchten zu müssen, ich kann Taxi fahren, Mitfahrgelegenheiten nehmen oder sogar trampen ohne Angst, und ich weiß, falls etwas ist, kann ich immer die Polizei oder sonst einen Notruf anrufen.

3 Gedanken zu “stadt.land.liebe Mai #2 – Heimweh statt Fernweh”

  1. Die Fotos sind toll und ja, deine Heimweh-Punkte kann ich sehr, sehr gut nachvollziehen! Es sind alles Punkte, die ich meiner Familie und meinen Freunden jetzt seit neun Monaten vorjammere, dass ich das Fahrrad fahren vermisse, hier nicht ehrlich sein kann (damit hatte ich am Anfang viele Probleme haha) und dass es in Westanatolien einfach keine Bäume gibt. Danke, dass du das so wunderbar alles aufgeschrieben hast! 🙂
    Liebe Grüße♥

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