Texte über Texte aus Büchern über Bücher

Eigentlich entstand dieser Text letzten Sommer – jetzt passt er wieder. Und bitte versteht ihn nicht falsch, ich studiere unheimlich gerne. Ich schreibe gerne meine Hausarbeiten, und ich habe kaum ein Problem damit, morgens früh aufzustehen und mich dann in der Bibliothek einzunisten. Doch ich denke, die meisten, die das auch tun, fühlen ab und an genauso, und es tauchen Zweifel auf… Texte über Texte, aus Büchern über Bücher. Ich freue mich auf eure Kommentare.

Völlig geschafft klappe ich den Laptop zu, den ich, um ehrlich zu sein, die letzte halbe Stunde über ohnehin nur noch genutzt habe, um minütlich Facebook und E-Mails zu checken. Hallo, Prokrastination, tschüss, effektives Arbeiten, heißt es bei mir generell, wenn ich länger als ein paar Stunden am Stück in der Bibliothek sitze. Seit einigen Tagen habe ich mich dort quasi eingenistet, sieben oder acht Stunden pro Tag, mit einer Stunde Mittagspause. Schon jetzt fühle ich mich total gerädert und versuche jedes Mal, wenn ich mich dem Selbstmitleid hingebe, zu verdrängen, dass andere Leute in meinem Alter täglich mindestens acht Stunden arbeiten. Fünf Tage die Woche. Und das fast das ganze Jahr über, nicht nur sechs angestrengte Wochen pro Semester.

Ich packe mein Zeug zusammen, das sich mittlerweile nicht mehr auf eine, sondern zwei durchsichtige Bibliothekstüten verteilt. Haargummis, Taschentücher, Lippencreme – die Bib-Tüte ist endgültig zu einer Art Handtasche geworden, in der sich alles, aber wirklich alles, ansammelt, was man irgendwann gebrauchen könnte. Letztens hatte ich schon überlegt, zur höheren Bequemlichkeit dicke Socken oder Hausschuhe mit in die Bibliothek zu nehmen.
Raus aus der Bibliothek und ab nach Hause. Doch der Plan geht nicht auf. Als ich vor meinem Spind stehe, suche ich erst mal hektisch nach meinem Schlüssel. Ganz oldschool haben wir in der Uni keine Schließfächer, in die man Münzen steckt, sondern jeder bringt sein eigenes Vorhängeschloss mit und kann damit einen schlosslosen Spind mit Absperr-Vorrichtung besetzen. Da mein Schlüssel nicht in meiner Tüte steckt, renne ich nochmal hektisch die drei Stockwerke zur Politikwissenschaft hoch, vergeblich. Und mir wird klar: Ich habe meinen Schlüssel eingesperrt. Zu entkräftet, um mich noch über mich selbst aufregen zu können, ergebe ich mich meinem Schicksal und bitte den Hausmeister darum, mein Schloss aufzubrechen. „Ja, kann ich machen. Aber dann haben Sie halt ein kaputtes Schloss.“ Ach nein, denke ich, und muss für einen kurzen Moment grinsen, als der Hausmeister aus den Tiefen seines Büros eine riesige Kneifzange holt. Ich spiele auch noch mit dem Gedanken, ihn zu bitten, dass ich das Schloss damit selbst aufbrechen darf, lasse das aber. Wäre bestimmt ein gutes Foto geworden.

Hausarbeiten, Referate, Prüfungen. Der ganze Stress hat mein Hirn irgendwie in Matsche verwandelt. Ich bin unfähig, an irgendetwas zu denken, was nicht mit politischem System oder Statistik zu tun hat, kann mir nichts mehr merken, verschussele und verpeile Dinge. Seit Tagen versuche ich jeden Tag aufs Neue, daran zu denken, Zahnpasta zu kaufen, und vergesse es jedes Mal. Ist das die berühmte Betriebsblindheit, von der Leute manchmal sprechen? Ich bin im dritten Semester und kann jetzt schon das Klischee des verrückten, lebensfernen Professors nachvollziehen. Ich denke nochmal an all die Menschen, die gerade sinnvollere Dinge tun als ich, die Leben retten, die Umwelt schützen, irgendwas Tolles erfinden. Wollte ich nicht auch mal Sinn sehen in dem, was ich tue? Jetzt schreibe ich Texte über Texte und lese Bücher über Bücher, kommt mir in den Sinn. Wie unkreativ. Ein bisschen schäme ich mir dafür.

7 Gedanken zu “Texte über Texte aus Büchern über Bücher”

  1. ach wer kennt das nicht, ab und an mal so ein matschgehirn zu haben..
    aber ja, ich habe auch oft das gefühl, dass meine ausbildung mich von wichtigerem abhält. auch wenn sie ja schon irgendwie nützlich ist!

  2. Ich träume in den letzten Tagen von meiner Hausarbeit – kann dich also gut verstehen! So eine Relevanz-Krise habe ich auch ständig wieder neu, aber vielleicht müssen wir ja wirklich erst noch ein bisschen üben, um dann in ein paar Jahren die richtig großen Dinger zu schaffen?

  3. Ich kenne das! 😀 Aber denk mal so: Wenn du fertig bist und Leben retten willst, kannst du das mit deinem Studium immer noch tun. Texte über Texte zu schreiben gehört halt irgendwie zum Studiumsablauf dazu… Kennst du das Video hier schon? Ist auch super lustig!
    Liebe Grüße

  4. Ach, klingt echt gefrustet! Aber jetzt ist der Prüfungsstress doch erstmal wieder vorbei, oder?
    Kann mir aber auch gut vorstellen, dass es ein bisschen dauert, bis man wieder umstellen kann auf "normales Leben"…
    Liebe Grüße
    Christiane

  5. Ich weiß genau was du meinst. Die letzten 11 Monate habe ich mit meiner Magisterarbeit und dann mit den Prüfungen zugebracht. Meine Matschbirne hat in der Zeit wirklich alles vergessen. Termine, Verabredungen, Schlüssel, meine Brotdose und Versprechen. Ich habe mir Wochenlang mit Pröbchen die Haare gewaschen, weil mein Shampoo leer war und einmal bin ich fast ohne Hose zur Arbeit gegangen. Zum Glück hat es ein Ende, irgendwann. Ich bin noch nicht ganz wieder in der normalen Welt, aber es wird besser.

    Liebe Grüße
    Nina

    Ich habe mir angewöhnt den Schlüssel immer im Schloss steckenzulassen, bis ich alles für die Bib verpackt habe und das Schloss zu mache. Das hilft ganz gut.

  6. Ich frage mich auch bei jeder längeren Lernphase, wozu ich das eigentlich alles lernen muss, ob es sich sinnvollere Dinge im Leben gibt, ob ich mit diesem Wissen im Leben dann überhaupt mal was anfangen kann usw.
    Sobald die Prüfungen allerdings vorbei sind und die Noten eintrudeln, bin ich wieder ganz froh, doch so viel getan zu haben. Mit ein bisschen Distanz kommt halt auch die Einsicht.
    Den Schlüssel miteingeperrt hab ich allerdings noch nie. Verbringe die Lernzeit aber auch nie in der Bibliothek sondern immer zuhause am Sofa.

    Liebe Grüße

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