Gastbeitrag: Das Leben spüren

Ich hatte ja Anfang Januar zu Gastposts aufgerufen, und war sehr erfreut über viele tolle Einsendungen 🙂 Heute also der erste Gastpost, beziehungsweise der erste, der nicht gleichzeitig ein Beitrag fürs Projekt Fernweh ist. Julia, die keinen Blog und kein Facebook hat, aber trotzdem schreibt, hat einen Text mitgebracht. Und zwar einen, der wunderbar chaotisch und positiv ist 🙂 Ich wünsche euch ganz viel Spaß beim Lesen!

Hey, mein Name ist Julia. Ich bin 22, liebe Kaffee, kreative Menschen und Musik – handgemachte Musik! Ich denke, mein Leben füllt mich aus; bis auf die obligatorischen Tiefgänge, die das Leben für jeden von uns ab und an bereithält, stehe ich morgens auf und freue mich auf das, was vor mir liegt. Okay – um ehrlich zu sein, fluktuiert dieser Zustand in Abhängigkeit von der Uhrzeit, aber wer kennt das nicht.

Ich versuche auch ohne gute Neujahrsvorsätze erfolgreich gegen meine Vorlieben für ungesundes Essen anzukämpfen. Wenn ich meine Eltern besuche, ist einer der ersten Sätze vermutlich „Julia, sing doch bitte etwas leiser!“ – wie bitte? Leiser singen? Geht das? Okay, ihr merkt schon, manchmal habe ich geringfügige, chaotische Anwandlungen, was von Freunden liebevoll als impulsiv und von Fremden als eher konfus umschrieben wird. Egal.
Fakt ist: Ich lebe. Mit allem was dazu gehört. Aber bewusst ohne Facebook. Womit wir beim eigentlichen Thema wären: der Hype, der, wie behauptet wird, langsam abklingt, in Wirklichkeit aber nur durch noch innovativere Ideen ersetzt wird. Ich weiß, diese Diskussion gab es schon gefühlte Millionen mal, aber es ist ein Thema, das sich trotzdem von Zeit zu Zeit unermüdlich in mein Gehirn schleicht und sich dort festsetzt. Gut – ich muss zugeben, dass Facebook wohl durchaus Vorteile mit sich bringt. Die Kommunikation wird erleichtert, man erfährt auch ohne stetiges Nachfragen die neuesten Nachrichten, aber hey, zu welchem Preis? Warum gehen wir nicht einfach zusammen raus, statt tiefgründige Unterhaltungen via Facebook zu führen? Wieso sitzen wir nicht in der Bahn und sehen uns die Menschen an, die mit uns fahren, statt per Handy Facebook zu checken? Warum sprechen wir diesen einen süßen Typen nicht einfach an, statt ihn am nächsten Tag im Netz zu suchen? Das Leben spielt sich jetzt ab, hier, man kann es anfassen und riechen, man ist mittendrin, ein Teil von ihm. Wann haben wir uns das letzte Mal am Leben teilhaben lassen? Unbegrenzt, vollkommen, mit Herz und Seele? Ohne Internet?

Ich weiß: wenn man einmal vor diesem Gerät sitzt, das sich mit dem wohlklingenden Namen „personal computer“ unser Vertrauen zu erschleichen versucht, ist so schnell kein Ende in Sicht. Kenne ich. Und das kennt jeder von uns. Aber dann kommt dieser Moment, in dem man auf die Uhr sieht und sich fragt, wo die ganze Zeit geblieben ist. Und in genau diesem Moment denke ich nach und schalte ab. Den PC. Und das virtuelle Leben. Versuche wieder, das richtige Leben zu fühlen – außerhalb des Internets. Habt ihr Lust? Fragt die eine Freundin, die ihr so lange nicht gesehen habt, beim nächsten virtuellen Gespräch, ob sie nicht Lust auf ein Stück Kuchen im nächsten Café hat. Mit viel Sahne. Und Schokolade. Um das Leben zu schmecken. Tauscht mit neuen Bekanntschaften doch einfach mal wieder die Telefonnummer, statt den Facebook-Namen. Um ihre Stimme zu hören, analog und in voller Schönheit. Und wenn ihr eine halbe Stunde zwischen Lernmarathon, Job oder sonstigen Verpflichtungen freischaufeln könnt, dann gönnt euch einen Spaziergang und schnuppert die frische Winterluft – dieses Gefühl gibt den Herzmenschen unter uns weit mehr als diese knappen 30 Minuten online vorbeifliegen zu lassen.

Ich möchte das Leben mit allen Facetten in seiner vollen Schönheit und Atemlosigkeit. Und wenn der besagte Schokokuchen mit der Freundin sich nicht mit dem Kampf gegen ungesundes Essen verträgt – wie wäre es dann einfach mit einem kurzen Waffenstillstand?
Danke fürs Zuhören und vielen lieben Dank an Ariane für die Möglichkeit, inmitten ihrer wunderbaren Blogatmosphäre meine Gedanken mit euch zu teilen.
Eure Julia

4 Gedanken zu “Gastbeitrag: Das Leben spüren”

  1. Wirklich ein unglaublich guter Text, der richtig zum Denken anregt. Bei mir gibt es auch bewusste Internet-Freie Pause, wo ich das richtige Leben schmecken, richten, hören, fühlen…. kann. Warum eigentlich nicht ganz aus der virtuellen Welt gehen…? Ich werde bestimmt öfters an diesen Text zurück denken und wer weiss, wie ich handeln werde!
    Besten Dank für diesen super Gastbeitrag!! <3
    Liebe Grüsse Alizeti

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