Projekt Fernweh – Ghana

Heute gibts einen sehr interessanten Beitrag, und das auch noch aus einem Kontinent, über den wir im Projekt Fernweh noch gar keinen Text hatten: Akosua schreibt über Afrika, genauer gesagt über Ghana. Aber lest selbst!

Alte Zeiten kann man nicht wiederholen. Wie schon der Name sagt, sind diese Zeiten alt. Neue Zeiten können nie wie alte Zeiten sein.

Während der Regen an die Fensterscheiben klopft und die Regentropfen die Scheibe herunter tanzen, muss ich wieder an diesen einen Ort denken. Einen Ort in Ghana, der ehemaligen Goldküste. Einen Ort, an dem ich gelernt habe, zu verstehen, was Liebe wirklich ist.

Cape Coast Castle. UNESCO- Weltkulturerbe seit 1979. Cape Coast Castle, der Ort, an dem kein Platz für die Liebe vorgesehen ist. Der Ort, an dem tausende Afrikaner ihr Leben verloren haben.

Einer der schönsten Ausblicke ist der von den weißen Mauern des Forts. Steht man dort oben und schaut auf das türkisblaue Wasser, in dem die bunten Fischerboote nur darauf warten, endlich hinaus aufs Meer zu dürfen, vergisst man für einen kurzen Augenblick fast alles um sich herum. Während ich diese Worte schreibe, kommt mir in den Sinn, dass ich von diesem Ort eigentlich gar kein Foto haben dürfte. Warum? Cape Coast Castle, mit all der Schönheit, die es umgibt, ist eine Sklavenburg.

1471 landeten die Portugiesen zum ersten Mal an der ghanaischen Küste. Fasziniert und überwältigt von dem vielen Gold, das es an der Goldküste gab, begann ein friedliches Tauschgeschäft mit den Einheimischen. Dieser vermeintlich friedliche Tauschhandel hielt an bis zu Christopher Columbus. Durch die Ankunft der Spanier in Amerika und die Erschließung von Zuckerrohr-, Tabak- und Baumwollplantagen wuchs die Nachfrage nach billigen Arbeitern. So kam es, dass 1505 die ersten Schiffe mit menschlichem Frachtgut von der ghanaischen Küste aus nach Mittel- und Südamerika starteten. Mit Beginn des Sklavenhandels wuchs auch das Interesse anderer europäischer Königreiche an der Küste mit dem vielen Gold. Das englische Fort William in Anomabo, das holländische Fort Battenstein in Butre, die portugiesische SAO Jago da Mina in Elmina, die dänische Christiansborg in Accra, die preußische Groß-Friedrichsburg in Prince’s Town und das britische Cape Coast Castle. An der Küste des Landes mit dem vielen Gold gibt es kaum einen Abschnitt, der nicht besetzt war.

Cape Coast Castle, in dessen Mitte der Marktplatz war, auf dem die Menschen wie Mehlsäcke gewogen wurden. Je schwerer ein Mann war, umso höher der Preis. Konnte man die Menschen an einem Tag nicht verkaufen, mussten sie zurück in einen Raum mit nur einem kleinen Loch oben in der Wand, durch das ein einsamer Lichtstrahl herein fiel. Hoch, aber nicht zu hoch. Und trotzdem sahen die 200 Menschen, die eingepfercht in diesen kleinen Bunkern ausharren mussten, das Tageslicht nicht. Sie waren angekettet. Nur die Frauen, ebenfalls in solche Kerker eingesperrt, durften sie ab und an verlassen. Als Spielzeuge der europäischen Handelsmänner und afrikanischen Sklavenhändler. Noch heute ist die Verzweiflung der Menschen an diesem Ort fast noch greifbar.

Cape Coast Castle, der Ort, an dem es auch eine Kirche gibt. Mitten auf dem Marktplatz. Ein ziemlich makaberes Bild. Ich erinnere mich, dass ich vor 5 Jahren, als ich zum ersten Mal in den weißen Mauern stand, den gleichen Gedanken hatte wie jetzt auch: Ob in der Kirche wenigstens ein bisschen Liebe spürbar war? Heute wie damals, ich weiß es nicht.

Steht man an einer der weißen Mauern des Forts, fällt der Blick vorbei an Bilderbuchpalmen auf den großen, weiten Ozean. Die Fischerboote sind immer noch da und eine Frau, eingehüllt in bunte, afrikanische Stoffe, ein Baby auf dem Rücken und eine Schüssel mit Fisch auf dem Kopf, kreuzt meinen Blick. Ich sehe die gleichen Bilder, die es früher schon gab, die aber von fast keinem gesehen wurden. Der Ozean, der damals schon da war und der für mich Freiheit bedeutet. Es fällt mir schwer, das Meer an einem solchen Ort als Symbol von Freiheit zu sehen, wo es für die Sklaven von damals doch zum genauen Gegenteil wurde. Dann, als die Menschen durch die „door of no return“ mussten. Die Tür, an der es kein Zurück mehr gab.

12 Millionen von 60 Millionen Afrikanern erreichten das Ziel – die Plantagen in Südamerika. In Brasilien, Kuba, Peru oder Jamaika leben 60 Millionen Menschen, die dem afrikanischen Kontinent durch den Handel mit Sklaven gestohlen wurden.

Cape Coast Castle ist ein Ort, der in eine andere Welt gehört. In eine Welt, die ich mir nur schwer vorstellen kann – und es ehrlich gesagt auch gar nicht will. Eine Welt, in der alles herrscht außer die Liebe, die es dort selbst heute, nach all den vergangenen Jahren, vielleicht immer noch nicht wirklich gibt. Aber genau an diesem Ort, zwischen den dicken, hohen, weißen Wänden, versteht man, was Liebe wirklich bedeutet.

Cape Coast, die Hauptstadt der Zentralregion Ghanas, ist aber noch mehr als europäische und afrikanische Kolonialgeschichte miteinander vereint. Es ist auch der Ort, in dessen Vorort, dem Dorf New Ebu, das umringt von Regenwald ist und in das nur ein schmaler, kurvenreicher roter Sandweg führt, mein Verlobter und ich durch unsere im Mai gegründete gemeinnützige Organisation Amebii Ghana e.V. Schulen und Kindergärten wieder aufbauen. Amebii ist Ga, eine der Landessprachen Ghanas, und bedeutet Kinder. Durch unsere Organisation bekommen die Kinder durch Zugang zu Bildung die Chance auf eine bessere, selbst bestimmte Zukunft. New Ebu ist aber noch mehr als nur ein Dorf, das Hilfe benötigt. Es ist auch das Dorf, in dessen Dorfgemeinschaft wir herzlich aufgenommen wurden und in dem man die Liebe der Menschen fast greifen kann. Ein schöner Gegensatz zu dem nur ein paar Minuten entfernten Fort.

Da unsere Organisation noch in den Kinderschuhen steckt, sind wir über jede Unterstützung dankbar, so klein sie noch sein mag. In Ghana kann man auch mit wenig viel erreichen.
Weitere Informationen findet ihr unter www.amebii-ghana.com oder unter www.facebook.com/AmebiiGhana. Ich würde mich freuen, wenn der ein oder andere von euch den Weg zu unserer Facebook-Seite oder der Homepage finden würde.

7 Gedanken zu “Projekt Fernweh – Ghana”

  1. Eine Freundin von mir war direkt nach dem Abitur für ein halbes Jahr in Ghana in einem Kinderheim. Sie hat da so viel mitgenommen, gelernt & hätte am liebsten alle Kinder mit nach Deutschland genommen xD Finde sowas echt klasse!
    Ich persönlich würde es nur so schwer finden mich von den Kleinen zu verabschieden, ich denke auch, ich wäre da viel zu sensibel dafür.

  2. Danke dir, dass ich einen Beitrag zum Projekt Fernweh leisten durfte.

    @Jana- so geht es mir meistens auch. Die Kinder, die wir unterstützen, sind alle so süß, da würde man sie am liebsten alle in den Koffer packen, was natürlich nicht geht. Aber schwer fällt es einem trotzdem immer, sich wieder von ihnen zu verabschieden.

  3. Wow, ein wirklich bewegender Text. Sehr gut geschrieben, hatte richtig Gänsehaut. Das Projekt werde ich mir auf jeden Fall gleich mal anschauen, hört sich sehr interessant an. Besonders weil Bildung sehr wichtig ist, oder wie unser koreanischer Professor desöfteren betont "Education is Power!".

  4. Auch hier in Uruguay ist die Hauptstadt des Departamentos Colonia, die Altstadt von Colonia del Sacramento als älteste Stadt Uruguays von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt worden. Sie wurde damals von den Portugiesen gegründet. Hier kamen die Sklaven aus Afrika an und wurden in ganz Südamerika verteilt. Die indianischen Ureinwohner wurden ausgerottet, heute wird hier spanisch gesprochen und es gibt fast nur noch Nachfahren europäischer Einwanderer.

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