Let’s Share

Eigentlich kaufe ich nicht so gerne Zeitschriften. Die bunten Titelblätter und reißerisch-interessanten Überschriften haben mich schon viel zu oft verleitet, und danach war ich meistens enttäuscht. Mode- und Handarbeitshefte haben viel zu oft viel zu wenig Inhalt und auf unter hundert Seiten kommen vielleicht zwei oder drei Ideen, die ich gerne nachmachen möchte. Noch dazu finde ich kaum Zeitschriften, die wirklich meinem persönlichen Stil und meinen Interessen entsprechen. Trotzdem, ich fahre viel Zug, meistens auch recht lange, und stehe immer wieder im Bahnhof, hadernd mit mir selbst… und habe letztens tatsächlich zugegriffen. Auf einen Tipp von Anne hin (danke nochmal!) habe ich mir das Heft „Share“ gekauft. Das wirbt mit dem Slogan „Gut leben, Gutes tun“ und Bettina Zimmermann und Joko Winterscheidt auf dem Titelblatt.

Die Ausgabe ist die allererste, und das Heft entstammt dem Projekt Let’s Share, einer Website, die über die neusten Trends der Share Economy berichtet. Share Economy? Hatte ich bisher noch nicht gehört. Klingt ungewohnt, ist aber einfach nur ein zusammenfassender Begriff für alle Möglichkeiten, Dinge zu teilen, sich gegenseitig zu helfen und zu vernetzen und gemeinsam etwas Gutes zu erreichen. Und dafür, dass so etwas heute mehr und mehr online organisiert wird – Couchsurfing, Car Sharing oder Crowdfunding kommen mir da als erstes in den Sinn. Und dieses Magazin quillt über mit Ideen, Lebensgeschichten, Links, die sich alle um dieses Thema drehen.

Ich muss ehrlich sagen: Ich war ziemlich begeistert! An dem 150 Seiten dicken Heft habe ich locker anderthalb Stunden fleißig gelesen, und bin hinterher fast geplatzt vor lauter Inspiration, Ideen und Wow-Momente… Da ist zum Beispiel der Text über die „Karma Chakhs“ – jemand wollte sich Chucks kaufen, jedoch nicht die Produktionsbedingungen bei Converse unterstützen, und beschloss so, eigene Schuhe in Auftrag zu geben. Die Mindestproduktionsmenge lag allerdings bei 500 Paar, und so suchte er sich über Crowdfunding 499 Mitstreiter, die das Projekt mit ihm finanzierten. Über zwei Berlinerinnen, die mit ihrem Projekt Culinary Misfits gegen Lebensmittelverschwendung kämpfen – und dafür, auch unperfektes Gemüse wertzuschätzen. Über Menschen, die Häuser, Autos, Arbeitsplatz oder Wissen teilen.

Irgendwie genau mein Thema: Weg von der Devise „Alles meins“, weg vom sinnlosen Konsum und hin zu Gemeinschaft, zum Teilen, zum sinnvollen Verwenden von Dingen. Warum muss ich mir selbst eine Bohrmaschine kaufen, wenn ich im Jahr vielleicht zwei Löcher damit in die Wand bohre? Warum ein eigenes Auto besitzen, wenn ich in einer Großstadt lebe und sowieso meistens mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs bin? Warum mein überschüssiges Essen wegwerfen, wenn ich es Freunden, Mitbewohnern oder Nachbarn schenken kann? Warum mit der Bahn fahren, wenn andere Menschen ohnehin unterwegs sind und mich mitnehmen können? Ihr seht, worauf ich hinauswill: Dinge zu teilen, bietet meist Vorteile für alle Beteiligten (und für die Umwelt noch dazu, wenn Konsum vermieden wird), und noch dazu kommt man mit anderen Menschen in Kontakt, woraus sich tolle Freundschaften ergeben können.

Ein bisschen habe ich mich beim Kauf doch gefragt, wie dieses Thema ein ganzes Heft füllen soll. Aber die Macher waren wirklich kreativ. Das Heft gliedert sich in sechs Teile: Daily Life, Style, Skills, Business, Mobility und Green Stuff. Am Anfang jedes Teils gibt es einen kurzen Überblick über die verschiedenen Möglichkeiten, in diesem Bereich zu teilen, begleitet von vielen kleinen Geschichten und Links zu diversen Internet-Plattformen. Danach Reportagen, Bilderserien, Interviews… Das Heft wird übrigens abgeschlossen mit einer Art kleinem Lexikon: „Alles, was Sie schon immer über die Share Economy wissen wollten“. Super, so bekommen auch Leute, die sich noch gar nicht mit dem Thema auseinandergesetzt haben, einen direkten Einstieg.

Viele verschiedene Themen, tolle Texte, interessante Geschichten – alles, was man sich von einer Zeitschrift wünscht. Besonders gut hat mir auch gefallen, dass sich nicht alles um Internet-Plattformen und -Projekte dreht, sondern auch ganz reale Sharing-Ideen vorgestellt werden, wie beispielsweise interkulturelle Gärten. Außerdem hat das Heft ein schönes, simples und modernes Design und wartet mit hübschen Fotos und Grafiken auf.
Was mir nicht so gut gefallen hat, waren die Prominenten, die ins Heft mit eingebunden wurden, obwohl sie eigentlich gar nichts mit dem Thema am Hut haben. Ich finds zwar eine nette Idee, passend zum Thema des Heftes Menschen zu fragen, was sie gerne teilen und was nicht, aber von einem MTV-Moderator muss ich das nun nicht unbedingt erfahren. Doch darüber sehe ich hinweg – schließlich gibts in jeder Zeitschrift mal Beiträge, die man weniger gerne liest.
Alles in allem ein toller Kauf – ich fühle mich so inspiriert und muss über einige der vorgestellten Plattformen, Projekte und so weiter definitiv noch mehr recherchieren. Schon so habe ich einige Anstöße für mein eigenes Leben und meinen Blick auf die Welt bekommen. Solche Zeitschriften wünsche ich mir mehr – dann hätte ich auf langweiligen Bahnfahrten auch endlich wieder etwas Anständiges zu lesen!

SHARE
für 3,90 beim Zeitschriftenhändler oder im Internet

12 Gedanken zu “Let’s Share”

  1. Hört sich interessant an. Stellt sich bloß die Frage, ob es auch weiterhin möglich ist mit diesem Thema ein ganzes Heft zu füllen und das auch noch regelmäßig, ich hoffe du berichtest mir davon 😉 Denke es ist wirklich wichtig sich wieder von der "Alles meines"-Devise wegzubewegen und mehr mit anderen zu teilen. Es müssen ja keine Fremden sein, reicht ja schon Familie, Freunde oder Nachbarn.

    Freut mich, dass du mein Blog mitverfolgst 🙂 Hab mich total über deinen Kommmentar gefreut.
    Dass die Rituale so teuer sind, fanden wir auch sehr schade. Hatten gehofft mal eines selbst sehen zu können, aber das bleibt wohl leider nur ein Wunsch. Problem ist, dass wir nun relativ wenig zu dem Schrein erzählen können, so dass wir uns für unser Mid-Term-Exam echt was einfallen lassen müssen, um unsere Präsentation interessant zu machen mit den wenigen Infos die wir haben.

  2. DIe Zeitschrift ist total cool und wunderschön! Leider habe ich sie noch nicht ganz gelesen, meist kaufe ich mir alle ansprechenden Magazine, um sie als Inspiration für unsere Presstige zu benutzen. Vielen Dank übrigens für dein Lob zum Magazin, jetzt lern ich das richtig zu schätzen! 🙂 Bald kommt die neue Ausgabe und ich bin schon fleißig am basteln, weil es am Mittwoch in Druck geht… Joa. Ich muss glaube ich mal meine Lieblingsmagazine vorstellen 🙂

    Und: Ja, die Idee hinter Sharing ist so cool! Leider ist vieles noch sehr umständlich, muss ich immer wieder feststellen. Ich habe z.B. auch kein Auto und würde mich nie trauen, ein Auto kurz zu mieten, um irgendwo hinzufahren, weil ich da noch etwas zu wenig Übung drin habe 😀 Aber wenn wir uns langsam alle dahin bewegen, nicht alles unnötig zu konsumieren, wird alles viel besser. So genug starker Worte!

    Liebste Grüße
    Natalia

  3. Wow, das hört sich wahnsinnig interessant an!
    Leider habe ich selbt in unserem (kleinen) Bahnhofshändler Schwierigkeiten, zeitschriften zu finden. Bin ja schon froh, dass ich Daphne's Diary da bekomme.
    Naja, ich muss mal schauen, ob es das dort auch hat. Wäre schon schön, denn ich will ja auch nachhaltiger werden! Und das ist Sharing ja bestimmt auch schon ein guter Anfang 😉

    Liebe Grüße,
    Dani

  4. Ich hab die Zeitschrift auch vor ein paar Wochen entdeckt und finde sie richtig inspirierend. Danach hat man total den Drang auch etwas tolles zu machen, das andere glücklich macht! 🙂
    Bin schon ganz gespannt auf die nächste Ausgabe 😉

    Liebe Grüße,
    Julia 🙂

  5. Schön, dass sie dich wirklich interessiert 🙂 Ich kann mir auch nicht so recht vorstellen, wie man zu dem Thema mehrere Ausgaben machen soll, ist das denn überhaupt geplant?

  6. das klingt ja wie das perfekte magazin für mich! kharma chakhs, culinary misfits und was du noch so erwähnt hast, kannte ich zwar alles schon, aaberrr da gibts bestimmt auch noch einiges, was für mich interessant wird. da werd ich mal morgen am bahnhof schauen, ob es die bei uns gibt 🙂

  7. Vielen Dank für den tollen Lesetipp. Klingt sehr interessant und ich sofern ich das Heft auf dem hiesigen Bahnhof finde, wird es doch direkt mitgenommen für die lange Heimfahrt. (Und apropos Bahnhof, bin gestern für 2 Minütchen in Jena gewesen und habe an dich gedacht, hehe!)

    Vorallem den sozialen Aspekt, den du auch erwähnt hast, finde ich am Teilen doch am besten. In einer Welt von Facebook und Twitter ist es doch schön, auch mal wieder solche Anlässe zu haben, mit fremden Menschen zu agieren. Zwar werden wohl in den wenigstens Fällen Freundschaften draus, aber dass der Mensch soziale Kontakte braucht, um sich wohl zu fühlen, dass weiß wohl jeder. 🙂

    Weil du wegen dem Taifun gefragtet hattest: Von unserem Hotelzimmer konnte man wirklich nur ein etwas lauteres Windgeheule und Regen mitbekommen. Es wirkte wirklich nur wie ein normales Unwetter, aber wir konnten im TV sehen, wie stark es tatsächlich war. Ich habe die Vermutung, dass wir – im Schutz der ganzen anderen Hochhäuser drumrum – wirklich nur ein Bruchteil von dem mitbekommen haben. 🙂

  8. Wow. Echt tolle Zeitschriftenvorstellung: Da du mir aus der Seele sprichst, was Zeitschriften betrifft, werde ich mich mal umgucken und hoffen, dass das Magazin auch bei mir erhältlich ist. Aber wenns das in Jena gibt, stehen die Chancen für Halle doch gut, oder? 😉

  9. Nööö, in Jena Paradies war ich gar nicht. Ich war geizig und bin mit der Bimmelbahn durch Thüringen getuckert und war an wahrscheinlich jedem anderen Bahnhof in Jena, hehe. 🙂

    Oh, ich beneide dich! Prag ist so eine wunderschöne Stadt und ich will unbedingt auch mal wieder hin. Wenn ich dir etwas ans Herz legen darf: unbedingt nach Vysehrad! (http://www.pekingenten.com/on-the-road-vysehrad/) Definitiv unter meiner Top 3 der Stadt.

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