Lissabon eins

Meine Ankunft in Lissabon ist ziemlich stressig. Nachdem wir uns in der Mitfahrgelegenheit eigentlich darauf geeinigt haben, am Bahnhof anzuhalten, von wo aus ich einen Bus zu meinem Couchsurfing Host nehmen und die anderen zu Fuß zu ihrem Hostel laufen können, wird die Fahrerin irgendwann total hektisch, spricht nur noch Französisch, von dem ich nur die Hälfte verstehe, schmeißt uns an irgendeiner Straßenecke raus und ruft uns ein Taxi. Das kämpft sich durch die völlig verstopften Straßen, die in Lissabon übrigens entweder in steilem Winkel bergauf oder bergab gehen. In meinem Kopf rumort es bereits: Wie würde ich ohne Sprachkenntnisse herausfinden, welchen Bus ich nehmen und wo ich aussteigen sollte?

Erstaunlicherweise sprechen einige Leute, die ich um Hilfe bitte, Englisch, und alle sind mehr als freundlich. Ein Eindruck, der sich in den kommenden Tagen bestätigen soll – oft fühle ich mich an die enorme Hilfsbereitschaft erinnert, die mir in Peru begegnet ist, zum Beispiel, als ein halber Supermarkt auf Portugiesisch den kürzesten Weg zu einer Adresse, die ich suche, diskutiert, und mir diesen dann über Gesten zu vermitteln versucht. Trotzdem, Reisen ohne Sprachkenntnisse ist anstrengend, und das wird mir direkt am ersten Abend bewusst.

Nachdem ich kurz João, meinen Host, kennen lernen und die grandiose Aussicht von seiner Wohnung im elften Stock genießen kann, falle ich auch schon ins Bett. Am nächsten Tag steht eine erste Stadtbesichtigung auf dem Programm. Ich fahre U-Bahn und lande irgendwo mitten im Getümmel. Der erste Eindruck vom Zentrum Lissabons? Laut, hässlich, dreckig, voll und unheimlich schnell und gestresst. Nach dem entspannten Sevilla, dieser Stadt, die mit Urlaubsstimmung und hitzebedingter Langsamkeit lockt, ein ziemlicher Schock. Ich laufe ein wenig herum, hatte eigentlich geplant, mir das eine oder andere anzusehen, doch zuerst scheitert es an endlosen Touristenschlangen, dann daran, dass Museen auch hier montags geschlossen sind. Ziemlich missmutig kämpfe ich mich schließlich nach oben, zum Castelo de São Jorge, und finde, dass die Stadt von oben gar nicht mehr so hässlich aussieht. Ich wandere ein wenig zwischen alten Steinen und Touristenlädchen herum und lasse zum Abstieg meine Karte im Rucksack. Was für ein Glück! Auf dem Weg nach unten komme ich in ein Stadtviertel, in dem sich Kunstgalerien neben kleine Lädchen (unter anderem einen Origami-Shop) reihen, und bin begeistert. Endlich bestätigen sich meine Hoffnungen, in Lissabon auf alternatives Leben und Kunst zu stoßen.

Am nächsten Morgen nimmt mich mein Host, der zu meinem Glück Surfer ist, mit an einen Strand ein wenig außerhalb von Lissabon, bei Ericeira. Angeblich gibt es hier Wellen, die jedes Surferherz begeistern. Mir selbst ist das Wasser zu kalt, ich wandere lieber am traumhaft schönen Strand herum und beobachte die vielen Menschen, die in der Ferne auf ihre Bretter hüpfen und sich von den Wellen tragen lassen. Danach gibt es unglaublich guten Fisch mit leckerem Weißwein in einem kleinen Restaurant im Dorf nebenan. „So könnte es jeden Tag laufen. Rausfahren, surfen, lecker Fisch essen und dann wieder surfen“, meint João und ich kann nur zustimmen. Leider geht es nicht wieder an den Strand, sondern zurück in die Stadt, die Arbeit ruft. Mich zieht es nun endlich ins MUDE, das Mode- und Designmuseum Lissabons, das mich zwar nicht hundertprozentig überzeugt, aber trotzdem ganz interessant ist. Später fahre ich noch nach Belém, ein alter und sehr touristischer Stadtteil Lissabons, in dessen Nähe sich die Wohnung meines Hosts befindet, und setze mich ein wenig an den Fluss. Nunja, Nähe… der geplante Spaziergang nach Hause besteht letztendlich aus über einer Stunde bergauf laufen. Glücklicherweise durch einen schicken Villenstadtteil, in dem ich einige Botschaften entdecke. Als ich meinem Host erzähle, wie weit ich gelaufen bin, will er mir gar nicht glauben, und auch mir tun an diesem Abend die Füße weh. Zum Glück schlafe ich hier so gut wie selten – João hat mir sein Zimmer samt Bett überlassen und schläft selbst auf einer Matratze im Wohnzimmer, weshalb ich mich fast schon schlecht fühle.

Meinen letzten vollen Tag in Lissabon nutze ich, um mir das Kunstmuseum in Belém anzusehen. Das ist übrigens das fünfzig-meist-besuchte Museum der Welt und bietet so einige Werke von bekannten Künstlern, ohne dafür Eintritt zu verlangen. Drei Stockwerke, eine riesige Sammlung und dazu noch temporäre Ausstellungen – hier könnte man wahrscheinlich einen ganzen Tag verbringen. Ich wollte allerdings weiter ins Zentrum Lissabons, um mit der touristischsten Electrico-Linie, der 28, zu fahren und mir so noch ein bisschen von der Stadt anzusehen. Die Straßenbahnen in Lissabon sind ein absolutes Highlight. Nur ein Wagen, knallgelb, klapprig und meistens bis auf den letzten Zentimeter vollgestopft, kämpfen sie sich die steilen Straßen hinauf oder rattern die fast schon achterbahnähnlichen Abhänge hinunter. Da muss man sich gut festhalten und am besten einen Platz am Fenster erkämpfen, um einen Blick auf die abenteuerlichen Strecken zu haben.

Lissabon ist ziemlich heruntergekommen, viel mehr als die Städte, die ich in Spanien gesehen habe, an touristischen Plätzen versuchen einige Leute, sich durch den Verkauf von Eis oder Getränken über Wasser zu halten. In Portugal liegt der monatliche Mindestlohn bei 485 Euro, unter drei Euro die Stunde, das sind weniger als beispielsweise in Argentinien. Auch mit meinem Host spreche ich über die Krise. Ich erzähle ihm, dass meine Mitbewohnerin vor Kurzem zweieinhalb Wochen durch Portugal gereist ist und dass ich ziemlich beneidet wurde, als ich sagte, ich fahre nach Lissabon. Er freut sich sehr, und wir stimmen überein, dass Portugal den Tourismus gut nutzen kann. „Jetzt, da ihr Deutschen und Franzosen und so weiter nicht mehr nach Ägypten oder Libyen fahren könnt, hoffen wir, dass ihr dann zu uns kommt!“, sagt er. Ich verspreche, irgendwann zurückzukommen, um mir die Algarve anzusehen. Und natürlich Sintra, einen kleinen und angeblich furchtbar hübschen Ort in der Nähe von Lissabon.

Am nächsten Tag geht es für mich auch schon weiter nach Porto, und ich verspüre doch ein bisschen Wehmut, dass der Urlaub schon so bald vorbei ist. Auch, wenn ich mich andererseits auf zu Hause freue, darauf, nicht mehr so allein zu sein, darauf, endlich keine Verständigungsschwierigkeiten mehr zu haben…

12 Gedanken zu “Lissabon eins”

  1. War diesen Sommer in Barcelona und die Stadt erinnert mich leicht daran, obwohl ich glaube Barcelona noch einen Tick moderner ist. Finde es schrecklich das es innerhalb der EU noch solche Bedingungen gibt und Menschen für unter drei Euro die Stunde arbeiten müssen, um irgendwie sich über Wasser halten zu können…

  2. Danke für deinen lieben Kommentar. Also allein in Korea finden sich so viele verschiedene Köstlichkeiten (oder auch nicht^^), dass man sicherlich Wochenlang beschäftigt ist alles zu probieren. Allein die ganzen Straßenhändler, die die verschiedensten Sachen anbieten.

    Lissabon sieht ja nett aus. Glaube das setze ich gleich mal auf meine Reiseliste.

  3. Oh ja Reisen ohne Sprachkenntnisse ist wirklich verdammt anstrengend. War letztes Jahr eine Woche allein in Bulgarien am Sonnenstrand. Und als ich nach Burgas gefahren bin, war ich total aufgeschmissen. Mit Englisch kommt man dort nicht weit und bulgarisch konnte ich leider nicht.
    Das war echt ganz schön doof.
    Da hattest du bis jetzt ja ganz schön viel Glück mit deinen Hosts. 🙂

  4. Dass Lissabon toll sein soll, hab ich jetzt auch schon arg oft gehört in der letzten Zeit.. dass es da aber auch so viel tolle Streetart gibt, das wusste ich noch nicht. Noch ein Grund mehr nach Portugal zu reisen!!

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