Projekt Fernweh: Busfahren in Nicaragua

Heute gibts eine kleine Reise-Anekdote von Lina, die normalerweise auf nureinwort über alltägliche Geschichten und ihre Auslandserfahrungen schreibt. Vieles habe ich aus Peru wiedererkannt – Busfahren ist dort jedes Mal aufs Neue ein Erlebnis, und ich vermisse es sehr, dass in Deutschland alltägliche Dinge nicht so spannend sind. Wobei ich auch froh darüber bin, in 20 Minuten die Stadt durchqueren zu können anstatt in Lima in 3 Stunden 😉 Viel Spaß beim Lesen!

Fahrt im Chicken-Bus irgendwo in Nicaragua (Genauer gesagt: Von Granada nach Managua. Aber es hätte auch jede andere Verbindung sein können.)

10.00h: Kommen am Busterminal an, wo die Busse alle 30 Minuten abfahren sollen. Bekommen einen Hustenanfall wegen des Staubes.

10.02h: Aufgeregte Verkäuferinnen, Taxifahrer, Straßenhunde und Busfahrer scheuchen uns alle woanders hin.

10.07h: Haben den richtigen Bus gefunden, in den uns der Fahrer hineingescheucht hat, als führe er in diesem Moment los. Unsere Rucksäcke sind auf abenteuerliche Weise auf das Busdach befördert worden, uns bleibt nur, zu beten, dass sie da auch bleiben werden [Anm. d. Red.: Sie kommen auf irgendeine Weise IMMER unbeschadet mit].

10.09h: Versuchen, unsere unnatürlich langen Beine einzuordnen. Versuch scheitert. [Anm. d. Red.: Die Busse sind alle ehemalige Schulbusse aus den USA, die nun irgendwelche Bibelsprüche und freizügige Frauenkörper draufgemalt haben. Nur der Schriftzug SCHOOL BUS bleibt aus irgendeinem Grund. Deswegen jedenfalls die bescheidenen 15 cm Abstand zwischen Sitzfläche und Rückenlehne des Vordermanns.]

10.20h: NEIN, ich will keine Taschenlampen, Haarspangen oder Lotterielose kaufen… Auch nicht, wenn ihr mich noch so oft an der Schulter rüttelt.

10.26h: Och, die Empanadas sehen ja ganz gut aus… Im Gegensatz zu den eingetüteten Pommes mit Ketchup.

10.31h: NEIN, ich will immer noch keine Taschenlampe.

10.36h: Bemerkenswert, wie fast jeder im Bus, so arm er auch sein mag, dem Obdachlosen Geld gibt. Sowas kenne ich aus Deutschland nicht.

10.46h: So langsam könnte es auch mal losgehen… Oh, der Motor springt an! – Schade, angetäuscht.

10.51h: …und Ohrringe will ich auch nicht kaufen…

10.59h: …genauso wenig, wie dem bettelnden Kind die Blume aus Bananenblättern abzukaufen. So leid es mir auch tut, aber Eltern, die ihre Kinder Betteln schicken, will ich nicht auch noch bestärken.

11.06h: JESUS, es geht los!!

11.17h: Kann mir jemand einen plausiblen Grund nennen, warum der Bus mit kontinuierlichen 5 km/h fährt?

11.23h: Und warum gibt es zum Teufel nochmal keine Haltestellen?! Wir halten alle 10 Meter für irgendjemanden an.

11.45h: Okay, langsam gehts schneller. Fahrtwind, kühle mein schweißdurchtränktes T-Shirt!

11.51h: Warum heißt es Chicken-Bus? Natürlich, weil Hühner transportiert werden. Hier ist ein ununterbrochen krähender Hahn zugestiegen. Hallelujah.

11.57h: Und mit dem winselnden Hund hinter mir wirds auch nicht besser.

12.01h: Kaum zu glauben, dass dieser bullige Busfahrer auf so schnulzige Musik steht. Sie tönt durch den ganzen Bus. Teilweise überlagert von der Handymukke der drei Halbstarken schräg vor mir.

12.15h: Langsam wirds voll. Wessen Bauch schmiegt sich da an meinen Kopf? Und wessen Ellenbogen bohrt sich in meinen Nacken? Warte – ich wills nicht wissen.

12.27h: Die Fahrt zieeeeht sich. Versuchen, alle 50 US-Staaten aufzuzählen, alle Bundespräsidenten und Bundeskanzler.

12.46h: Wieso haben wir erst 25 Staaten? Wo sind bitte die restlichen abgeblieben? Und ist das peinlich? Oder der Temperatur zuzuschreiben? Oder dem Fakt, dass mein Frühstück mir bei jedem Hopser wieder hochkommt?

12.53h: Managua – 36 Kilometer. Danke, Gott. Falls es dich gibt.

13.16h: Der klägliche Versuch, dem Fahrkartenmenschen ein paar Geldscheine hinzureichen, durch ein Gewühl aus Armen, Tieren, Beinen, Kindern. Bekommen irgendein Wechselgeld wieder.

13.32h: Der abermals klägliche Versuch, aus unserem Gefängnis Sitzen aufzustehen. Wir scheinen da zu sein, alles drängt raus.

13.35h: Alles ausschütteln. Die Rucksäcke sind noch da, yay!

13.41h: Fahren in diesem Land eigentlich auch irgendwelche anderen Busse? Nein? Okay, Chicken-Bus ist eh viel… interessanter.

5 Gedanken zu “Projekt Fernweh: Busfahren in Nicaragua”

  1. Das klingt echt vieeel spannender als eine Busfahrt hier in Deutschland.
    Ich würde das gerne mal erleben, aber ich stelle es mir auch ziemlich chaotisch vor. Auf jeden Fall interessanter und lustiger Post 🙂
    l.g. Lena

  2. Wie cool! Ich kenn sowas ähnliches aus der Türkei, eine Fahrt im Dolmus ist auch immer ziemlich spannend. Allerdings hab ich mitfahrende Hühner dort noch nicht erlebt.
    @Lina: superwitzig erzählt! 😀
    LG
    Christiane

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