Von der Schwierigkeit des Heldinnen-seins

Dieser Beitrag ist Teil der Blogparade „Alltagshelden“ – die gesamte Liste mit allen Posts findet ihr hier. Morgen geht es übrigens bei Flo weiter und übermorgen bei Chiara.

Als ich noch zur Schule ging, hatte ich relativ klare Vorstellungen davon, was gut und was schlecht war. Und ich hatte keine Probleme, meine Überzeugungen zu vertreten. Ich wurde Vegetarierin, schraubte meinen Konsum auf ein Minimum herunter, kaufte vieles Bio und Fair Trade, und verbrachte fast die gesamte Zeit, die mir neben der Schule blieb, mit diversen politischen Aktivitäten, vor allem im Bildungsstreik und bei der Grünen Jugend. Das ging so in etwa ein Dreivierteljahr lang gut – dann ging erst mal das Abitur vor, ich brauchte außerdem viel Zeit für mich. Nach meinem achtzehnten Geburtstag wurde erst einmal ein Monat quasi durchgefeiert. Und dann ging es für mich ab nach Peru. Dort habe ich alles Politische erst einmal zur Seite geschoben, um alle Eindrücke in mich aufnehmen und verarbeiten zu können.

Heute bin ich (bis auf einige nostalgische „Aussetzer“ ;)) eigentlich wieder gut in Deutschland angekommen und integriert. Während ich in Peru eigentlich jeden Tag Fleisch gegessen habe, versuche ich nun, meinen Fleischkonsum wieder ein bisschen einzuschränken. Höchstens zweimal die Woche, habe ich mir festgesetzt, und bisher klappt das auch ganz gut. Was Klamotten angeht, kaufe ich zwar immer noch viel Second Hand, aber, wenn es mein finanzieller Rahmen zulässt, auch gerne mal in „normalen“ Geschäften. Meine Lebensmittel stammen fast ausschließlich aus dem Discounter und das einzige, was mit dem Label „Bio“ in meinen Einkauswagen wandert, sind normalerweise Eier…

Mein ganzes erstes Semester über habe ich versucht, Organisationen oder Gruppen zu suchen, in denen ich mich engagieren kann. Dabei habe ich allerdings so einige Lehren aus meinem früheren Engagement gezogen – ich wollte nicht mehr nur diskutieren und nichts machen, und vor allem wollte ich mich für etwas Positives einsetzen. Im Bildungsstreik beispielsweise war es immer nur gegen alle möglichen Dinge gegangen, und wir konnten uns teilweise nicht mal darüber einigen, wie es denn stattdessen werden sollte. Nein, heute denke ich, dass kleine lokale Aktionen wirklich wunderbare Veränderungen bringen können – man muss nicht immer gleich von der Weltrevolution träumen 😉 Da ich durch Peru viel interkulturelle Erfahrung mitbringe und mich ja auch sehr für andere Länder und Kulturen interessiere, habe ich mich jetzt dazu entschieden, nächstes Semester ehrenamtlich als Tutorin für ausländische Studenten zu arbeiten, und ich freue mich schon sehr darauf. Vielleicht schaffe ich es auch, nächstes Semester bei der Ehemaligengruppe meines Freiwilligendienstes vorbeizuschauen… bisher war ich, um es zuzugeben, einfach zu faul dafür.

Manchmal ärgere ich mich darüber, dass ich so bequem geworden bin. Andererseits weiß ich auch, wie gut es mir tut. Vegetarierin gewesen zu sein, hat meinem Körper nicht gut getan – ich habe damals sechs Kilo zugenommen, die ich übers Jahr verteilt in Peru wieder abgenommen habe. Sechs Kilo sind vielleicht nicht so viel, aber ich habe inzwischen ein ganz anderes Verhältnis zu meinem Körper und bin viel zufriedener. Ich freue mich über meinen vollen Kleiderschrank und darüber, meinen eigenen Stil realisieren zu können. Und ich freue mich über mein abgetötetes schlechtes Gewissen – ich kann sogar H&M betreten, ohne sofort an Kinderarbeit denken zu müssen…

Noch dazu ist mir klar geworden, wie kompliziert diese ganze Helden-Kiste eigentlich ist. Fast täglich kann man irgendwo hören oder lesen, dass irgendwelche Bio-Lebensmittel gar nicht so bio sind, wie sie behauptet haben – nicht zu reden davon, dass die Bio-Vorschriften der EU ohnehin recht lächerlich sind… Teure Klamottenfirmen zahlen ihren Arbeitern nicht mehr Gehalt, sondern haben einfach nur eine höhere Gewinnspanne. IKEA stellt sich immer so nett grün und freundlich dar – und holzt trotzdem Urwälder ab. Und ein Apfel aus Neuseeland kann im Schnitt eine bessere Klimabilanz haben als einer aus Norddeutschland. So tun sich eigentlich jeden Tag tausendundeine Frage auf, was und wo man denn nun kaufen soll. Und das, was besonders gut und umweltfreundlich aussieht, versucht oft nur, Probleme grün anzumalen.

Im Zusammenhang mit meinem Freiwilligendienst gab es sehr ähnliche Fragen und Probleme. Der weltwärts-Dienst wird aus Entwicklungshilfegeldern finanziert, und auch wenn die paar tausend entsendeten Jugendlichen jedes Jahr nur einen Krümel der deutschen Entwicklungshilfe ausmachen, könnte man das Geld doch weitaus sinnvoller einsetzen. Doch ist Entwicklungshilfe überhaupt sinnvoll? Was passiert mit dem ganzen Geld, ändert es zwischen Korruption, Wirtschaftsinteressen und Bürgerkriegen wirklich etwas an der Situation der Menschen in einzelnen Ländern? Ich muss an das Beispiel der Stromkraftwerke in Afghanistan denken, über die ich mal einen Film gesehen habe. Mit deutschem Geld wurden dort Kraftwerke gebaut, mit deuschen Materialien. Als ein technisches Problem auftrat, hatten die Afghanen kein Geld, um Ersatzteile aus Deutschland zu bestellen, und der Strom blieb aus. Oder an das Beispiel Haiti, wo mit Geld aus verschiedenen Ländern Schulen gebaut wurden, die dann leerstanden, weil für Ausstattung und Lehrer das Geld fehlte. Oder an den Bürgerkrieg in Ruanda, wo Entwicklungshilfegelder zur Verlängerung des Konflikts beitrugen. Oder an die Geschichten von Bekannten von mir, die auch als Freiwillige im Ausland waren. Jeder kannte irgendwo einen Entwicklungshelfer, der es sich bereits seit Jahren (eigentlich darf man als Entwicklungshelfer höchstens zwei Jahre in einem Land bleiben!) in einer schicken Villa in Strandnähe gut gehen ließ und die Projekte, bei denen er mitarbeitete, immer schön in seiner Nähe ansiedelte, egal, ob es dort Bedarf gab oder nicht… Kurzum, ich bin versucht, nein zu sagen. Aber was ist die Alternative? Hilfe überall auf der Welt einzustellen und in Kriege und Konflikte nicht mehr einzugreifen?Ich weiß, die sonstigen Beiträge der Blogparade beinhalten eher Tipps, wie man selbst zum Alltagshelden werden kann – ich wollte ein paar allgemeine und sehr kritische Gedanken einstreuen. Ich freue mich sehr über Kommentare mit euren eigenen Erfahrungen und Meinungen. Hier auf dem Blog möchte ich in Zukunft auch ein bisschen mehr meinen täglichen Kampf ums Heldinnen-sein einfließen lassen, deswegen werden noch so einige ähnliche Beiträge folgen.

Die Zeichnung oben stammt übrigens von der wunderbaren Chiara. Schaut doch bitte mal bei ihr vorbei, allein ihr Blogdesign ist es wert und dazu schießt sie noch wunderbare Bilder. Und kann toll zeichnen, wie ihr am Bild oben schon seht 🙂

8 Gedanken zu “Von der Schwierigkeit des Heldinnen-seins”

  1. Ein sehr schöner Eintrag. Ich kann deine Skepsis durchaus verstehen… Wie soll man ein "guter Mensch" sein, wenn die nötige Transparenz fehlt?
    Und dennoch kann man nicht einfach nur da sitzen, nichts tun und hoffen, dass andere das schon machen werden…

  2. Wie bei so vielem denke ich auch hier, dass es oft wirklich schwer – oder unmöglich – ist, eine Sache umfassend zu bewerten, wenn man nicht selbst direkt von ihr betroffen ist oder sie zumindest aus nächster Nähe mitbekommt. Entwicklungshilfe klingt für mich aus meiner europäischen Sicht heraus erstmal doch nur positiv, was könnte man dahinter schon schlechtes vermuten? Und doch gibt es wie bei sonst wohl jeder Sache auch eine Kehrseite.
    Zu 100% korrekt verhalten wird man sich da wohl nie können. Ich glaube aber trotzdem, dass es einen Unterschied macht, wenn man im Alltag, vllt nicht immer und bei allem, aber doch hin und wieder drauf achtet, die "bessere" weil umweltfreundlichere/sozialere/ethischere Variante zu wählen. Und wenn man damit nur ein Zeichen setzt, verantwortungsvoll leben zu wollen.
    Dein Beitrag hat mir sehr gut gefallen, vielen Dank dafür!

  3. Ge das ist total schwer! V.a. in ein paar Monaten sich sowas auszudenken ist echt mies & schwer! Vielleicht fällt dir ja auch noch spontan was ein 😉

    Oha hast dus gut 😀 Wie lang hast du denn noch Ferien? Dann wünsch ich dir schonmal viel Kraft, dass du deine Liste abarbeiten kannst 😉

    Achso 😀 Ja bei meinem Ex war das so^^ Bei meinem aktuellen nicht. Er hat am 13.2. Geburtstag, dann 14.2. Valentinstag & 15.2. sind wir zusammengekommen 😀 Hat uns aber nicht Glück gebracht 😛

  4. super post, lese normalerweise nicht beonders gerne so lange texte aber du hast echt gut geschrieben. ich finde es auch oft schwierig "das richtige" zu tun….

    danke übrigens für deinen kommentar, freut mich das dir die bilder gefallen 🙂

  5. Huhu, jetzt komm ich endlich mal dazu, alles "unsere" Beiträge durchzulesen. Muss sagen, deiner hat mir bisher am besten gefallen. Man merkt, dass du dich mit der Thematik wirklich auseinandergesetzt hast und die Problematik richtig erfasst hast. Du sprichst mir damit aus der Seele, mir gehts recht ähnlich.

    Wirklich toller Artikel, der vielleicht den ein oder anderen nochmal zum Nachdenken anregt – ich würds mir wünschen!

    Liebste Grüße

    Emily

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